Stunde der Vergeltung (German Edition)
die direkt neben ihr stand und mit einer kleinen speckigen Hand Tams Knie umklammerte. Ihre glänzenden dunklen Augen, die Rachels so sehr ähnelten. Sie war kaum zwei gewesen, als …
Nein . Nicht jetzt. Kein Weinkrampf. Nicht vor Ana und Donatella. Tam kniff die Lider zusammen und sah die Erde, die in ihre weit geöffneten Augen regnete. In ihren Ohren dröhnte es, ihr Herz hämmerte.
Sie versuchte, das Picken der Hennen, das Bellen der Hunde lauter zu stellen, nur um sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Auf irgendetwas anderes. Ganz egal, was.
»… dann können wir spät essen«, säuselte Donatella leise in Vals Ohr, damit Tam es nicht hörte. »Der Koch im La Cantinola wird auch nach elf noch gern für uns kochen. Ich bin eine besondere Kundin. Und es gibt über dem La Cantinola ein zauberhaftes Zimmer mit Meerblick … «
Sieh mal einer an. Diese unverfrorene Schlampe. Wie sie versuchte, Val zu überreden, sich mit ihr zum Abendessen und auf eine schnelle Nummer zu treffen.
Man musste Val zugutehalten, dass er sich wand wie ein Aal und mit großzügigen Komplimenten und vorsichtigen Ausflüchten aus der Affäre zu ziehen versuchte. Aber die Hände des Flittchens waren überall, und er stieß sie nicht weg.
Der Zorn half ihr, die bangen Gefühle zu vertreiben. Gut, also ließ sie ihm freie Bahn. Bastard. Scheißkerl. Porcone .
Er würde später dafür bezahlen, und zwar teuer.
Während der Rückfahrt nach San Vito war die Atmosphäre im Wagen unter dem Gefrierpunkt. Tam würdigte Val keines Blickes, sondern starrte stur geradeaus, und dabei strahlte sie eine intensive, erbitterte Eiseskälte aus, wie sie ihm noch keine Frau zuvor entgegengebracht hatte – oder er hatte es nur nie registriert.
»Würdest du mir bitte verraten, welches Verbrechen ich begangen habe?«, fragte er schließlich, als sie sich der Ausfahrt San Vito näherten.
»Kein Verbrechen«, erwiderte sie mit kalter, tonloser Stimme. »Es ist nur so, dass ich mir einfach nicht vorstellen kann, wie du das durchgezogen hast.«
»Was durchgezogen?«, fragte er, obwohl er die Antwort kannte.
Sie warf ihm einen Blick zu, der ihm zu verstehen gab, dass sie wusste, dass er es wusste, und sie seine Heuchelei gar nicht komisch fand.
Seufzend kapitulierte er. »Es war vor mehreren Jahren. Ich habe verdeckt gegen einen Schmugglerring ermittelt. Ihr Ehemann steckte in der Sache drin. Sie war sauer auf ihn. Ich brauchte Informationen. Es war unvermeidbar.«
»Ach, wirklich? Ich schätze, du hast dich mit Händen und Füßen gesträubt«, spottete sie.
»Nein. Ich habe meinen Job gemacht«, sagte er steif. »So, wie du es auch immer getan hast.«
»Also machen wir uns jetzt gegenseitig Vorwürfe wegen unserer Hurerei?«
Val schüttelte den Kopf. »Es war nicht besonders erinnerungswürdig«, erklärte er rundheraus. »Auch nicht komplett unangenehm. Trotzdem verspüre ich kein brennendes Verlangen, die Erfahrung zu wiederholen. Es hat mir lediglich die Arbeit erleichtert.«
»Genau wie bei mir, hm? Clever, Val. Deinen Zielpersonen das Hirn rauszuvögeln ist ein großartiger Trick.«
»Hör schon auf«, stieß er aus. »Nach dem heutigen Morgen musst du wissen, dass das nicht wahr ist.«
»Und woher sollte ich das wissen? Wie könnte ich mir da bei einem Mann, der so aalglatt, raffiniert und attraktiv ist wie du, sicher sein? Janos, der Gigolo. Du wirst dich also mit ihr in Paris treffen, hmm? Wenn du dich für heute Abend zu einem Abendessen inklusive Schäferstündchen mit ihr verabreden möchtest, tu dir bitte keinen Zwang an.«
Obszönitäten murmelnd bog Val auf den Hotelparkplatz ein und schnappte sich Tams Schmuckkoffer. »Komm«, knurrte er. »Ich bringe dich ins Hotel, anschließend muss ich nach Salerno.« Er hatte vorgehabt, sie in seiner Nähe zu behalten, aber nicht in dieser Stimmung. Am Ende würden sie sich noch gegenseitig an die Kehle gehen.
Tam riss ihm den Koffer aus der Hand. »Hast du meine Einkaufsliste noch im Kopf?«
»Selbstverständlich.«
»Dann besteht kein Grund, mich über einen gut besuchten Parkplatz zu eskortieren.« Sie sprang aus dem Wagen. »Das schaffe ich allein.«
Er stürzte ihr nach und riss sie an der Schulter herum. »Benimm dich nicht wie eine Idiotin.«
»Warum nicht? Es scheint dich vorher auch nicht gestört zu haben.«
Val drückte ihre Schultern zusammen. »Hör auf, deine Spielchen zu treiben, Tamar.«
»Lass mich los, du blöder … «
»Es ist unangebracht und passt nicht zu
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