Stunde der Vergeltung (German Edition)
wunderschönen Salon mit Originalfresken an der Gewölbedecke und unbezahlbaren Antiquitäten allein. Eine gigantische Veranda überblickte das Meer.
Eine Frau mit ausladendem Hintern stand in dramatischer Pose vor dem Fenster. Bei ihrem Eintreten drehte sie sich um und musterte Tam mit abschätzendem Blick, bevor sie ein strahlendes Willkommenslächeln aufsetzte. Das war nicht Ana. Es war eine auffallende Mittdreißigerin. Rot gefärbte Haare, eine satte Schicht Make-up, falsche Brüste und große grüne Augen. Das musste Donatella sein.
Tam hasste sie auf den ersten Blick. Sie spürte instinktiv, dass das Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte.
Die Frau warf sich in Vals Arme. »Valerio! Amore . Endlich«, schnurrte sie. »Du siehst wundervoll aus, tesoro .« Ihre Augen zuckten zu Tam, dann zurück zu Val. »Und du riechst … so gut wie immer. Mmm, delizioso .«
Tam sah zu, wie Donatella Val auf italienische Art links und rechts küsste, bevor sie die Hände um sein Gesicht legte, schmachtend in seine Augen sah, den Kopf zurückwarf und ihm drei weitere Küsse verpasste. Schmatz, schmatz, schmatz.
Tam sträubten sich die Nackenhaare. Seltsam, wie überaus vertraut Val und Donatella miteinander umsprangen. Alte Freunde. Echt rührend. Sie hätte vor Ärger aus der Haut fahren können, wäre sie nicht von der zweiten Frau abgelenkt worden, die in diesem Moment in der Tür auftauchte. Tams Magen vollführte einen abrupten Salto.
Oh, ja. Das war Ana, gar kein Zweifel. Sie sah besser aus, als Tam gehofft hatte. Die Frau hatte die Haare zu einem eleganten Knoten aufgesteckt, und ein schlichtes schwarzes Etuikleid betonte ihre dralle Figur. Ihr Hintern war ein bisschen zu üppig, aber ihr großer, chirurgisch aufgemotzter Busen sorgte für die nötige Balance. Sie hatte auch an Stirn und Hals etwas nachgeholfen, wodurch sie unter ihrem Make-up so unnatürlich glatt und straff aussah, wie man es oft bei Fernsehstars erlebte.
Ana schenkte Tam nicht die geringste Beachtung, während sie zusah, wie Donatella sich an Val ranschmiss. Ihre Miene drückte ganz klar aus, dass sie es gewohnt war, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Somit war Donatella nicht gerade ihre liebste Freundin.
Tam konnte es ihr nachempfinden. Donatella fuhr mit ihren krallenartigen Fingernägeln über Vals Brust. Tam bohrte ihre eigenen in ihre Handflächen.
So, so. Val hatte nichts davon erwähnt, dieses Donatella-Flittchen gebumst zu haben. Nicht dass Tam das Recht gehabt hätte, sich darüber aufzuregen, falls es stimmte, aber trotzdem. Dann musste sie unfreiwillig grinsen. Diese überspannte, einfältige Plastiknutte? Wie hatte er das nur durchgestanden, ohne vor Langeweile umzukommen?
Männer waren nun mal nicht wählerisch. Tam brachte die Begrüßung hinter sich, schüttelte beiden Frauen die kühlen, manikürten, mit Diamanten überladenen Hände und behielt ihre lächelnde Maske dabei unverrückbar vor ihrem wahren Gesicht. Sie ignorierte die »Fahr zur Hölle, Schlampe«-Schwingungen, die gleich Querschlägern durch das Zimmer schossen.
»… möchte ich dir gern Miss Steele vorstellen, die Künstlerin hinter den Designs«, sagte Val gerade lächelnd und ohne sich aus Donatellas Tentakeln zu befreien.
Unisono wandten Donatella und Ana ihre perfekt frisierten Köpfe um und musterten Tam mit identischen kalten Blicken.
»Ach ja, natürlich«, meinte Ana. »Donatella hat mir von Ihrem Schmuck erzählt. Wirklich faszinierend. Sie sind ganz anders, als ich erwartet hatte.«
Tam lächelte honigsüß mit großen Augen und verzichtete darauf, nachzufragen, was Ana denn erwartet hatte. Es interessierte sie nicht im Geringsten, was in Anas leerem Kopf vorging.
Dann überraschte die Frau sie, indem sie die Stirn runzelte und Tam genauer ansah.
»Kennen wir uns?«
Vals Lächeln gefror. Alarmiert zuckten seine Augen zu ihr.
Tam schüttelte den Kopf. »Daran würde ich mich bestimmt erinnern.«
Ana warf sich in die Brust. »Dessen bin ich mir sicher«, sagte sie und beendete das Thema mit einem Wedeln ihrer blutroten Krallen.
Donatella fand, dass sie zu lange nicht mehr im Mittelpunkt stand. »Valerio, du bist ein Engel, dass du das für mich arrangiert hast«, ergriff sie das Wort. »Und dann auch noch eine private Vorführung. Ich bin fast gestorben vor Ungeduld, endlich ein paar der Stücke in die Finger zu bekommen.«
»Eigentlich ist es nicht die Trägerin, die sterben sollte«, erinnerte Tam sie. »Im Normalfall zumindest.
Weitere Kostenlose Bücher