Stunde der Vergeltung (German Edition)
und du bist auch keine große Hilfe, testa di cazzo . Seit fast vierundzwanzig Stunden schwirrten seine Gedanken um dieses Problem wie eine Fliege um einen Hundehaufen. Endlose, kostbare Stunden hatte er auf die untätige, zermürbende Reise verschwenden müssen. Er hatte keine Zeit gehabt, sich auszurüsten, ein Team zusammenzutrommeln oder einen brillanten Plan zu entwerfen. András hatte mit Sicherheit ein Privatflugzeug genommen, das ihn am Flughafen von Neapel erwartet hatte. Wahrscheinlich hatte er noch in der Nacht Budapest erreicht und war in den frühen Morgenstunden mit seiner Beute in Novaks Residenz eingetroffen. Damit hätten sie Stunden gehabt, um mit ihr zu spielen, wenn sie wollten. Wenn Novak es eilig hatte.
Währenddessen war Val gezwungen gewesen, wie ein Wahnsinniger zum Flughafen von Rom in Fiumicino zu rasen und den Leihwagen mit offener Tür, der Schlüssel noch in der Zündung, auf dem Taxistreifen stehen zu lassen. Er war hinauf in den Ticketbereich gestürmt und hatte sich in dem verzweifelten Versuch, einen Platz in einer Linienmaschine zu ergattern, in endlose Warteschlangen eingereiht.
Er war verwöhnt von all den kostspieligen Annehmlichkeiten, die PSS sowie die obszön reichen Unternehmen und militärischen Organisationen, für die sie arbeiteten, zur Verfügung stellten. Gott im Himmel, wie standen normale Menschen das nur durch?
Normale Menschen mussten sich ihre Lieben in der Regel nicht gefesselt unter dem Messer eines Folterknechts vorstellen .
Ein letzter Ruck, ein letzter flammender Schmerz, der seine Gedanken von seinen Sorgen ablenkte, dann löste sich das Gitter vor dem Schlund des Abwasserkanals. Polternd und klirrend rollte es mit einem Platschen ins Wasser.
Val nahm die Taschenlampe zwischen die Zähne, bevor er ganze Arme voll Müll, Zweigen, Blättern und Schlick herausbaggerte, die seit Jahrzehnten mit dem überlaufenden Regenwasser angespült worden waren. Sie hatten sich an dem Gitter zu einer schlammigen Wand verhärtet, sodass die Öffnung zuerst zu schmal war, als dass ein ausgewachsener Mann hindurchkriechen konnte.
Er wünschte, er hätte ein Team gehabt, aber es brauchte Zeit, um ein Team zu koordinieren. Die McClouds waren zäh, kompetent, und sie meinten es gut, aber sie lagen Stunden hinter ihm zurück, da sie zwei Kontinente sowie einen Ozean zu überqueren hatten. Von ihrer Seite konnte er keine Hilfe erwarten. Bis sie endlich mithilfe der GPS-Tracker das Ziel erreichen würden, wäre das Unvermeidliche längst geschehen. Nun gut.
Er biss die Zähne auf die Stabtaschenlampe und stürzte sich mit dem Kopf voran in das dunkle, nasse Loch. Es war, als würde er in sein eigenes Grab kriechen. Doch das kümmerte ihn nicht. Er fürchtete sich nicht vor dem Tod. Was er nicht ertragen könnte, war ein Leben ohne Tamar. Die Bedeutungslosigkeit, die dumpfe, öde Leere, die er für innere Ruhe gehalten hatte.
Kalter, schleimiger Schlick quetschte sich durch seine Finger. Er hätte an Gummihandschuhe denken sollen, aber er hatte es zu eilig gehabt, um sich mehr als das Nötigste zu beschaffen: einen Rucksack, das Boot, das Stemmeisen, den Schweißbrenner, Waffen und Munition. Seine schwarze Kleidung war mit stinkendem Morast überzogen. Wenigstens musste er nicht durch eisiges Wasser waten. Andererseits war der Abend noch jung.
Nach ein paar hundert Metern erreichte er den Haupttunnel, der noch größer und älter war. Hier musste er nicht mehr krabbeln, sondern sich nur noch tief bücken. Er sprintete los, hetzte durch den tropfenden Tunnel, dass das Wasser aufspritzte, während der Lichtkegel der Taschenlampe zwischen seinen Zähnen wild umherzuckte.
Der Tunnel war lang und hatte mehrere Gabelungen und Abzweigungen. All das überschüssige Regenwasser aus den Zisternen, die über das ganze Grundstück verteilt waren, fand seinen Weg hier runter. Val musste sein Langzeitgedächtnis durchforsten, sich konzentrieren und mitzählen, um sich zu erinnern, welcher Richtung er folgen musste, um an sein Ziel zu gelangen. Er dankte Imre für sein hartes Training.
Mit dem Gesicht voran überwand er die letzten hundert Meter des überfluteten Kanals. Er passte kaum hindurch. Als er vor vielen Jahren das letzte Mal hier hindurchgekrochen war, waren seine Schultern nicht ganz so breit gewesen.
Vor ihm ragte ein dunkler Schacht auf. Behutsam streckte er den Kopf vor und spähte nach oben. Die Zisterne war schon seit circa hundertfünfzig Jahren nicht mehr in Gebrauch,
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