Stunde der Vergeltung (German Edition)
hielten Schusswaffen im Anschlag. Alle zeigten auf ihn.
Es war elf Jahre her, seit er Gabor Novak zuletzt gesehen hatte. Schon damals war der Mann abgrundtief hässlich gewesen. Inzwischen sah er mit den hervortretenden Augen, der gelbstichigen Haut und den langen Zähnen aus wie ein Totenkopf. Wie ein alter, vernarbter Schädel, den man in gelbes Wachs getaucht hatte.
Novak stieß unsanft die Zehen in Vals Nieren. Er verzog gequält das Gesicht. Irgendjemand hatte die Stelle schon vorher entdeckt und sie einer sorgfältigen Tracht Prügel unterzogen.
»Wach auf, du Narr«, befahl Novak. »Wir haben Geschäftliches zu besprechen.«
Val nahm eine rasche Schadensüberprüfung vor, während er sich vorsichtig auf die Füße kämpfte. Einige seiner Zähne waren locker, die Rippen angeknackst, aber wohl nicht gebrochen. Eine von Blut klebrige Beule prangte an seiner Schläfe. Mit jedem Herzschlag pulsierte rot glühender Schmerz in seinem Kopf. Blutergüsse. Eine oberflächliche Schnittwunde am Unterarm, unter deren schwarzer Kruste frisches Blut hervorquoll und seinen weißen Ärmel durchtränkte. Nichts Dramatisches. Er hatte bei anderen Gelegenheiten schon Schlimmeres eingesteckt. Sie hatten ihn nicht ernsthaft verletzen, sondern lediglich außer Gefecht setzen wollen.
Val schaute sich um. Er erkannte András von früher wieder. Der grobschlächtige, knopfäugige Sadist war seit Jahren Novaks zweiter Mann. Drei weitere stammten noch aus der alten Truppe, der Rest war Frischfleisch. Der Blonde mit den blauen Augen, auf den er eingestochen hatte, war nicht anwesend. Wahrscheinlich tot, oder nahe dran. Einige der Männer waren ziemlich lädiert. Sein Verdienst, mutmaßte Val, als er den Blick über die zertrümmerten Nasen, aufgeplatzten Lippen und die kalten, hasserfüllten Augen gleiten ließ.
Neue Feinde. Gott. Als bräuchte er noch mehr.
Er wandte die Aufmerksamkeit wieder Novak zu. Als er sich räusperte, schmeckte er Blut. »Dieses Drama war überflüssig«, bemerkte er. »Sie hätten eine E-Mail schicken oder anrufen können.«
Novak lächelte. »Du hättest mich ignoriert, wie du es seit sieben Jahren tust. Nun, da du es in der Welt so weit gebracht hast, zählen deine alten Freunde nicht mehr, hm? Abgesehen davon verhandelt man wichtige Geschäfte am besten persönlich.«
Schwere, eiskalte Angst begrub Vals Eingeweide unter sich. »Wir werden nicht ins Geschäft kommen. Ich arbeite für ein anderes Unternehmen.«
Mit einem dünnen Lächeln stapelte Novak die knochigen Finger übereinander. »Ja, gewiss. PSS hat dich für eine stattliche Summe abgeworben, trotzdem beschleicht mich seit Langem der Verdacht, dich unter Preis verkauft zu haben. Aber dieser Fall ist speziell. Ich habe dir einen Vorschlag zu unterbreiten, den du interessant finden könntest.«
»Ich bin raus aus diesem Geschäft.«
»Ja, ja. Wir kennen deine Erfolgsgeschichte. Vajda, der Stricher, Drogendealer und Waffenschmuggler, der seine Vergehen bereut und nun ein glamouröses Doppelleben führt – Geheimagent bei Nacht, verwöhnter Unternehmer und Playboy bei Tag. Ich verfolge deine Alibikarriere im Internet, weißt du? Überaus inspirierend. Die Jungs hier könnten heulen vor Neid, vor allem wegen all der Frauen, die du flachlegst. Das ist schlecht für die Disziplin, Vajda.«
»Ich will nicht … «
»Was du willst, interessiert mich nicht«, schnitt Novak ihm das Wort ab. »Du hast deine Manieren vergessen. Muss ich dich neu erziehen?«
Val schloss die Augen, um das Licht, den Schmerz, Novaks forschenden Blick auszusperren. Der heiße, faulige Atem des Mannes war nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt, er roch wie Gas, das einer verwesenden Leiche entströmte.
Val spannte seine eisenharten Bauchmuskeln an, um den Würgereiz zu unterdrücken. Er hatte schon Schlimmeres ertragen. Tatsächlich würde er noch heute Nacht Schlimmeres ertragen müssen. Viel Schlimmeres, bis das hier überstanden wäre. Es gab keinen Ausweg. Er versuchte, sich damit abzufinden.
Er schluckte schwer. »Was wollen Sie?«
Novak packte ihn an der Schulter, drehte ihn herum und stieß ihn so heftig gegen einen langen, verbeulten Metalltisch, dass er taumelte. »Sie«, sagte er.
Val starrte auf die Fotos. Tamara Steele war darauf abgelichtet. Das oberste Bild zeigte sie im Bikini auf einer Jacht, am Arm eines haarigen Mannes mittleren Alters. Sie hielt eine Champagnerflöte in der Hand und lachte. Ihre blonden Haare flatterten wie eine helle Flagge
Weitere Kostenlose Bücher