Stunde der Vergeltung (German Edition)
im Wind.
Das nächste war eine Nahaufnahme. Tamara trug ein silbernes Abendkleid. Ihre Haare waren nun rot und umrahmten ihren Kopf in fließenden Wellen. Sie schaute über ihre grazile Schulter, dabei lauschte sie einem Mann, der ihr etwas ins Ohr flüsterte. Val erkannte den blonden, schmallippigen, blassen Mann sofort wieder. Es war Novaks Sohn, Kurt. Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte ihre blutroten Lippen. Juwelenbesetzte Ohrringe baumelten an ihren Ohren. Ihre großen Augen blickten an Kurt vorbei und fast direkt in die Kamera.
Auf einem anderen stieg sie gerade in einen schwarzen Jaguar, von dem Regentropfen perlten. Die Stadt dahinter sah aus wie Paris. Steeles lange dunkle Haare bildeten einen starken Kontrast zu ihrem weißen Trenchcoat.
Das nächste Foto war anders als der Rest. Es war schwarz-weiß und mit langer Brennweite aufgenommen. Sie trug darauf ein schlichtes schwarzes Kleid und sah ungewöhnlich unglamourös aus. Die Eleganz rührte allein von der natürlichen Grazie ihres Körpers her. Ihr Haar war zu einem strengen Knoten aufgesteckt, ihr Gesicht ungeschminkt. Sie sah blass, schutzlos und traurig aus. Leute schlenderten an ihr vorbei, doch sie nahm keine Notiz von ihnen. Sie lehnte sich vor, um einen Strauß kleiner wilder Gänseblümchen und Lavendel vor einer Bronzeplakette an einem großen Marmorstein abzulegen. Val drehte das Foto um. Es war datiert. Vor fünf Jahren.
Er sah die restlichen Bilder durch. Es gab keins von ihr zusammen mit Rachel. Sie mussten alle aus der Kurt-Ära stammen, also vier Jahre oder älter sein.
Womöglich wusste Novak bisher nichts von dem Kind. Aber Val verweigerte sich die Hoffnung auf wenigstens dieses bisschen Gnade. »Wer ist das?«, fragte er.
Novak versetzte ihm einen Faustschlag gegen die Schläfe. Der wuchtige Hieb schleuderte Val gegen den Tisch. Blutiger Speichel flog aus seinem Mund und besudelte das Foto mit dem silbernen Abendkleid. In seinem Kopf drehte sich alles, seine Sicht verschwamm. Der alte Mann war wesentlich stärker, als er aussah.
»Versuch das nicht noch mal«, warnte Novak ihn. »Ich weiß, dass du derjenige bist, der ihr nachspürt. Dass du weißt, wo sie sich versteckt.«
Val blendete den Schmerz aus und versuchte, sich zu konzentrieren. Drei Schritte zurück . »Wieso interessieren Sie sich für sie?«, fragte er.
»Sie war Kurts letzte Geliebte. Die Hure, die meinem einzigen Sohn den Tod gebracht hat.«
»Ich verstehe.« Val hielt seine Stimme neutral. »Also wollen Sie, dass sie stirbt?«
»Nicht so schnell. Ich will sie an einen Tisch gekettet sehen. Ich werde sie lehren, was verlogenen Schlampen passiert, die meinen Sohn verraten.«
Val atmete langsam aus. »Und wo komme ich dabei ins Spiel?«
Novak lächelte. »Du wirst sie zu mir bringen, Vajda. Ich weiß, dass du sie im Auftrag von PSS und Georg Luksch suchst. Aber du wirst sie nicht zu Georg bringen. Du bringst sie zu mir. Ganz einfach.«
Die Aussicht auf entsetzliche Schmerzen wurde immer greifbarer. Val wurden die Knie weich bei der Vorstellung. Auch eisige Distanziertheit hatte ihre Grenzen, wenn es um Folter ging. Er schloss die Augen. »Ich kann nicht … «
»Oh doch, du kannst.« Novaks Stimme war butterweich. »Mit deinem guten Aussehen, deinem Charme, deinem schönen Körper. Deiner respektablen Identität als reicher römischer Geschäftsmann. Deinem Ruf als Gigolo und Lebemann. Jeder Auftragskiller könnte ihr aus der Distanz eine Kugel in den Schädel jagen, doch das befriedigt mich nicht. Ich will, dass sie verführt wird. Ich will, dass du dir ihr Vertrauen erschleichst. Ich will, dass sie sich in dich verliebt. Ich will, dass sie nach Strich und Faden betrogen wird, so wie sie Kurt betrogen hat. Eine hübsche, verlogene Hure, um eine andere zu erwischen.«
Val bemühte sich sorgsam um eine ausdruckslose Miene. »Ich soll mir das Vertrauen einer Mörderin erschleichen?« Er machte eine Pause. »Eine schwierige Herausforderung.«
»Ich habe nicht behauptet, dass es einfach sein wird. Genau darum habe ich einen solch appetitlichen Köder für meine Falle ausgewählt.« Novak hakte einen dicken gelblichen Fingernagel in die Akte und zog sie zu sich heran. »Alles, was wir über sie wissen, befindet sich in diesen Unterlagen. Ihre Herkunft ist unbekannt. Sie betrat die Bühne im Jahr1997 , am Arm von Scheich Nadir.« Novak stach mit dem Finger auf das Jachtfoto. »Sie soll sich gut mit Drogen und Gift auskennen, mit Waffen sogar exzellent,
Weitere Kostenlose Bücher