Stunde der Vergeltung (German Edition)
denken.
»Nun.« In einer abstoßenden Parodie von Zärtlichkeit streichelte Novak mit seiner klauenartigen Hand über Vals Kinn. »Um deines alten Freundes willen hoffe ich, dass du mir nicht sagen wirst, dass du den Auftrag ablehnst.«
Wieder füllte Blut seinen Mund, aber Val konnte nicht schlucken. Der Druck an seiner Kehle erdrosselte ihn. Seine Ohren dröhnten.
»Nein«, würgte er heiser hervor. »Das werde ich nicht.«
»Gut.« Novak gab dem Mann, der Val festhielt, ein Zeichen. Der Druck auf seine Kehle ließ nach. Seine Arme kamen frei.
»Und jetzt eine kleine Demonstration meiner Entschlossenheit«, verkündete Novak munter. »Wir werden ein Teil von deinem Freund entfernen – ein kleines Teil. Einen Finger oder ein Ohr, damit wir alle wissen, wo wir stehen. Behalte es, wenn du sentimental bist. Stimmt es, dass dein Freund Klavier spielt? Ist er nicht Lehrer am Konservatorium? Ein ehemaliger Konzertpianist? Charmant. Dann also einen Finger.«
»Nein«, fuhr Val dazwischen. »Sie rühren ihn nicht an. Sonst kommt der Handel nicht zustande.«
»Nicht du legst die Bedingungen dieses Handels fest.« Novak bleckte amüsiert die Lippen über seinen langen verfärbten Zähnen. »Ich lege sie fest. Ausnahmslos. Du hast die Regeln vergessen, mein Junge. Ein paar seiner Finger sollten sie dir wieder ins Gedächtnis rufen.«
Vals Gedanken irrten so verzweifelt umher wie eine Ratte im Labyrinth. Er fasste in seine Hemdtasche und ertastete ein kleines glattes Fläschchen.
Schwungvoll zog er es heraus. »Die Regeln haben sich gerade geändert.«
Das höhnische Gelächter und Gemurmel verstummte abrupt. Sämtliche Blicke flogen zu der Ampulle in Vals Hand.
»Und was soll das sein?«, erkundigte sich Novak.
»Giftgas«, erklärte Val. »Wenn ich das hier zerbreche, stirbt jeder in diesem Raum, ehe er es auch nur bis an die Tür schaffen könnte.«
Novak kaute nachdenklich auf der Innenseite seiner eingefallenen Wange herum. Er schoss András einen Blick zu. »Wer war dafür verantwortlich, diesen Mann zu durchsuchen, bevor er zu mir gebracht wurde?«
Einer der jüngeren Männer riss erschrocken die Augen auf. Er wich zurück. András hob seine Knarre und schoss ihm mitten ins Gesicht. Der Mann krachte gegen die Wand und glitt in einer Blutfontäne, die sich dunkel gegen die weißen Zementblöcke abhob, zu Boden. Imre gab ein ersticktes Geräusch von sich und sackte zwischen den beiden Wärtern zusammen.
»Alle werden sterben, auch du selbst?« Novaks Tonfall klang beschwingt. »Und dein Freund?«
»Selbstverständlich«, versicherte Val. »Das ist es mir wert. Ich mag es nicht, schikaniert zu werden. Sie und ich können diese Unterhaltung in der Hölle fortsetzen.«
Novak gackerte leise. »Trägst du immer Giftgas bei dir? Was für ein außergewöhnliches Accessoire.«
Vals Augen starrten unverwandt in Novaks. »Das Leben ist unvorhersehbar«, sagte er. »Auf den Tod ist sehr viel mehr Verlass.«
Das Gackern wurde zu einem keuchenden Prusten. »Ach, Vajda, du hast mir gefehlt, seit ich dich vor all diesen Jahren an die Hunde von PSS versteigert habe. Was hoffst du, mittels deines Giftgases zu erreichen?«
»Wir reden über die Bedingungen«, antwortete Val. » Meine Bedingungen.«
»Die da wären?« In Novaks Stimme schwang leise Belustigung mit.
»Erstens das Mordhonorar. Fünfhunderttausend Euro, Spesen exklusive.«
Es ertönte vielstimmiges Schnauben und Hohngelächter seitens der versammelten Männer. Novak schien sich zu amüsieren. »Du hältst große Stücke auf dich, Valery. Aber wofür ein Mordhonorar? Es ist nicht nötig, die Frau zu töten. Das werde ich persönlich übernehmen.«
»Sie lebend zu Ihnen zu bringen, ist schwieriger, als sie an Ort und Stelle zu liquidieren«, argumentierte Val. »Ich wünsche keine Einmischung, kein Team zur Verstärkung, dafür Videotelefonate mit ihm, wann immer ich es verlange.« Er gestikulierte zu Imre. »Außerdem Ihr feierliches Ehrenwort vor Zeugen, dass ihm nichts geschehen wird.«
Novaks helle giftgrüne Augen wurden schmal. Val behielt eine gleichgültige Miene bei. Sein Herz galoppierte.
Dies war ein gewagtes Spiel. Novak hegte eine pathologische Abneigung dagegen, belogen zu werden. Es ging das Gerücht, er habe seinem eigenen Sohn als Kind einen Finger abgeschnitten, weil er wegen irgendeines geringfügigen Vergehens die Unwahrheit gesagt hatte. Die unterschwellige Botschaft war so brutal wie unmissverständlich: Wenn der Boss das seinem
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