Stunde der Vergeltung (German Edition)
eigenen Sohn angetan hat, was würde er wohl mit einem Stück Scheiße von einem Niemand wie mir anstellen? Es war ein sehr wirkungsvolles Abschreckungsmittel.
Die Folge davon war, dass Novak sich auf seine verdrehte Art selbst als einen Ehrenmann betrachtete. Wenn er also vor seinen Leuten versprach, Imre nichts anzutun, würde er sich an sein Wort gebunden fühlen. Zumindest hoffte Val das.
Andererseits war der Kerl vollkommen wahnsinnig.
»Vajda.« Imre räusperte sich, dann hustete er. »Du kannst nicht … «
»Sei still, alter Mann«, unterbrach Val ihn barsch. »Ich habe dich nicht um deine Meinung gebeten.«
Angespannte Sekunden verstrichen. Novak rieb sich das Kinn, dachte nach. »Deine Geldforderung ist absurd«, sagte er. »Doch ich weiß es zu würdigen, wenn ein Mann sich ins Zeug legt. Dafür werde ich den Finger verschonen – wenigstens heute Abend. Und im Gegenzug … «
Novaks Stimme verklang, und seine Augen glitzerten belustigt. Val wartete. Er wagte nicht, zu schlucken oder zu atmen.
»Im Gegenzug wirst du mich mit Videomaterial über deine Affäre mit Steele versorgen«, vollendete er. »Etwas Pikantes, detailliert Sexuelles, womit meine Männer sich die öden Nächte vertreiben können. Du wirst ein paar Minuten Sprechzeit mit deinem Freund bekommen. Sollte irgendwann das Filmmaterial ausbleiben, werde ich anfangen, ihm Körperteile abzuschneiden. Ich verlange meine erste Rate – lass mich nachdenken – am Montag. Dabei gestehe ich dir ein paar zusätzliche Tage für die Reise zu«, schloss er, sein Ton edelmütig. »Anschließend erwarte ich alle drei Tage Nachschub.«
Vals Kiefer schmerzte vor Anspannung. »Ich kann nicht garantieren … «
»Dann werde ich mit seinen Fingern beginnen«, bemerkte Novak leichthin. »Versuch nicht wieder, mir zu drohen, Vajda.« Sein Grinsen wurde breiter. »Sieh mir in die Augen. Wirke ich auf dich wie ein Mann, der irgendetwas von deinem Giftgas zu befürchten hat?«
Vals Finger verstärkten den Druck auf die Ampulle. Die Gesichter der anderen Männer im Raum waren starr vor Entsetzen, Novaks hingegen leuchtete triumphierend.
»Haben wir eine Abmachung?«, fragte er.
Val nickte. Novak stieß ein keuchendes Lachen aus. Er gestikulierte zu einem seiner Männer. »Gib ihm seine Sachen.«
Der Mann kam dem Befehl unverzüglich nach, indem er Vals Brieftasche und sein Handy zum Vorschein brachte und auf den Tisch legte.
Val steckte alles ein. Dann schnappte er sich die Akte mit den Fotos und klemmte sich die Schatulle mit dem Halsreif unter den Arm.
»Ich brauche das«, verkündete er. »Als Vorwand, um mich ihr zu nähern.«
»Ganz wie du meinst.« Novaks Stimme triefte vor Selbstzufriedenheit. »Vergiss nicht, ihn wieder mitzubringen, wenn du sie mir auslieferst. Ich habe vor, sie damit zu töten.«
Val bedachte Imre mit einem letzten Blick. Die Augen des alten Mannes blickten stumpf und niedergeschlagen. Val fühlte sich hilflos. »Wir sprechen uns«, murmelte er.
Imre gab keine Antwort. Die Ampulle fixierend, schraken Novaks Männer zurück, als Val auf die Tür zusteuerte. Niemand geleitete ihn durch die unterirdischen labyrinthischen Gänge unter dem Lagerhausviertel von Köbanya. Val hatte den Weg verinnerlicht. Die Geschäfte und Firmen darüber waren Geldwaschanlagen für Novaks andere profitablere Unternehmen. Vor vielen Jahren hatte Val eigenhändig die Firmendokumentationen für einige von ihnen erstellt. Die Wachposten starrten ihn an, als er hinaus in die eisige Nacht stolperte. Er hatte seinen Mantel liegen gelassen. Schneeflocken landeten auf seinem zerschlagenen Gesicht. Die Kälte war Labsal für seine geschundene Haut. Das Wasser auf seinem Haar und seinem Hemd gefror augenblicklich zu Eis. Ziellos schlurfte er durch knöchelhohen Schneematsch. Jeder Passant, der sein blutbespritztes Gesicht bemerkte, eilte furchtsam davon.
Und tat gut daran. Val war Abschaum, korrupt. Ausgesandt, um Rollen zu spielen, die er seinen verzweifelten Bemühungen zum Trotz nicht ablegen konnte. Hure, Lügner, Betrüger.
Mörder. Und Schlimmeres. Steele lebend zu Novak zu bringen war weitaus grausamer als die schnelle Gnade eines Genickschusses und ebenfalls viel schlimmer, als sie Georg Luksch auszuliefern. Sie auf der Stelle zu töten wäre barmherziger.
Nun musste er sich ihr Vertrauen erschleichen. Ha. Ohne Imre würde er noch nicht einmal die Bedeutung des Wortes kennen. Sollte es ihm nicht gelingen …
Val taumelte eine gefühlte Ewigkeit
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