Stunde der Wahrheit
er bemerkte, dass sie wach war, bemühte er sich um ein Lächeln, doch ihr entgingen die Sorgenfalten auf seiner Stirn nicht. Als er aufgelegt hatte, fragte sie:
»War das Liam?« James nickte.
»Was wollte er?«, fragte sie, als er keine Anstalten machte, näher ins Detail zu gehen.
»Er hat mir ein Angebot gemacht, das ich schwer ausschlagen kann.«
»Und das wäre?« Er seufzte.
»Geld.« »Geld?«, wiederholte sie.
»So einfach ist das? Liam will einfach nur Geld?« James sah sie an und lachte. »Wenn ich dir den Betrag nennen würde, würdest du anders denken, glaub mir.« Emma ließ sich wieder auf den Rücken sinken.
»Dann gib es ihm nicht.« Er sah sie lange dann, dann sagte er:
»Du weißt nicht, wovon du da redest. Liam sucht schon seit langem einen Weg, mich zu erpressen, das ist seine Masche, doch er konnte mir nie wirklich etwas anhaben. Das stinkt ihm schon seit Jahren, weshalb er auch Eric benutzt hat, um an mich heranzukommen. Und hätte mein Dickkopf von einem Bruder nur etwas gesagt, hätte ich ihm da raushelfen können, aber du kennst ja Eric. Er hätte sich lieber einen Arm abgehackt, als jemanden um Hilfe zu bitten.«
»Wie ist er dann von Liam losgekommen?« James zuckte die Schultern. »Ich schätze, er braucht ihn einfach nicht mehr. Denn jetzt hat er ja ein viel besseres Druckmittel, nicht wahr?« In James Blick lag nichts als Reue und Kummer, als wäre es seine Schuld, dass Liam sie bedroht hat. Aber das konnte er doch nicht wirklich glauben, oder?
»Du kannst nichts dafür, James«, sagte sie, weil sie nachvollziehen konnte, wie er sich fühlte. Selbstzweifel waren etwas Schreckliches. Sie zerfraßen einen und wenn man niemanden hatte, der sie einem nahm, so wie Rahel es schon oft bei ihr getan hatte, konnte man daran zugrunde gehen. Sie glaubte nun zu wissen, weshalb er die ganze Zeit über so nachdenklich war - er machte sich Vorwürfe.
»Natürlich kann ich etwas dafür. Wenn ich früher nicht so ein Arschloch gewesen wäre, hätte ich Aubreys und viele andere Leben nicht zerstören können und all das hier wäre nie geschehen.«
»Und du hättest mich nie kennengelernt«, fügte sie hinzu.
»Genau. Und du würdest ein ganz normales Leben führen. Stattdessen musst du dich mit Gangstern und verkorksten Typen wie Eric und mir herumschlagen. Glaub mir, so ein Leben wünsche ich mir bestimmt nicht für dich.«
»James! Hörst du dich da eigentlich reden?«, fragte sie und berührte seinen Arm.
»Es ist nicht deine Schuld, dass Liam so ist, wie er ist. Wenn du nicht wärst, hätte er sich ein anderes Opfer gesucht, das er bedrohen kann. Dass du ausgerechnet seine Schwester erwischt hast ... ist unglücklich gelaufen, okay, aber deshalb ist er doch nicht so geworden. Leute erpressen, das ist seine Masche, das hast du selbst gesagt. Du kannst dich doch nicht für seine Taten verantwortlich machen.« Er war nicht überzeugt, das sah sie ihm an. »
James, du hast einen Fehler gemacht … gut, du hast viele Fehler gemacht«, fügte sie hinzu, als er ihr einen fraglichen Blick zuwarf.
»Aber jetzt bist du anders. Du bereust deine Fehler und jeder Mensch verdient eine zweite Chance.« Sie ergriff seine Hand, konnte aber spüren, wie steif er unter ihrer Berührung war.
»Das wird ihn trotzdem nicht davon abhalten, sein Geld einzufordern«, sagte James und hielt ihr das Handy hin. Emma betrachtete es verständnislos.
»Was soll ich damit?«
»Hast du Rachels Nummer im Kopf?«
»Ja?«, sagte sie plötzlich beunruhigt und nahm es entgegen.
»Keine Angst, ihr fehlt nichts. Du solltest sie trotzdem anrufen.« Emma warf ihm einen fragenden Blick zu, nahm das Handy aber entgegen. Als sie es tuten ließ und Rachel abnahm, musste Emma den Hörer von sich halten.
»Emma? Wo um alles in der Welt steckst du, verdammt nochmal?«, rief sie.
»Äh wieso, was ist denn los?«, fragte Emma ausweichend. Sie wusste nicht, ob sie Rachel schon von sich und James erzählen wollte. Sie wusste ja selbst nicht so genau, wo sie standen. Da wollte sie ihre Freundin nicht mit falschen Informationen füttern.
»Was los ist? Ich stehe in deiner aufgebrochenen Wohnung, dein Handy liegt auf dem Bett und du bist nicht da!«
»Aufgebrochen?«, fragte Emma und schaute James mit großen Augen an. Sie schaltete den Lausprecher ein, damit er mithören konnte.
»Du wolltest mich gestern Abend anrufen, schon vergessen? Und als du dich die ganze Nacht nicht gemeldet hast, dachte ich, du wärst mit Ryan
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