Stunde der Wahrheit
James: »Ich möchte, dass du die nächsten Tage bei mir wohnst - nur zur Sicherheit.« Emma hatte sich auf seine Bettkante gesetzt und während der Visite nach draußen geschaut, nun drehte sie sich zu ihm um.
»Und wie soll ich das mit meiner Arbeit regeln? Du wohnst am Rande der Stadt. Ich bräuchte jeden Tag mindestens zwei Stunden hin und zurück.«
»Dann kündige. Im Moment ist es nirgends sicher für dich.«
»Auf keinen Fall!«, empörte sie sich.
»Wovon soll ich denn bitte leben?« James hob die Brauen und als Emma klar wurde, worauf er hinaus wollte schüttelte sie heftig den Kopf. Er glaubte doch nicht wirklich, dass sie auf seine Kosten leben würde!
»Das kannst du vergessen. Ich habe gerade erst meine Ausbildung angefangen. Die werde ich bestimmt nicht wegen Liam abbrechen.« James sah nicht glücklich aus, als er sagte:
»Versteh doch. Hier geht es um deine Sicherheit. Und wenn du dir Sorgen um deine Ausbildung machst: Ich kann dir jederzeit eine neue besorgen. Und so lange du bei mir wohnst, werde ich für dich aufkommen.« Emma schüttelte fassungslos den Kopf.
»James, das kann nicht dein Ernst sein! Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mich in irgendeine Ecke verkrieche und meinen Job aufgebe. Ich habe keine Angst vor Liam.«
»Das solltest du aber«, sagte er mit einem strengen Blick.
»Mit Liam ist nicht zu spaßen und wenn er dich bedroht hat, solltest du seine Drohung auch ernst nehmen.«
»Dann werde ich ab sofort vorsichtiger sein – versprochen. Aber kündigen werde ich nicht«, stellte sie klar. James seufzte, sichtbar unzufrieden. »Kannst du dich wenigstens für eine Weile krankschreiben lassen? Mir zuliebe?« Doch Emma schüttelte den Kopf.
»Ich war die letzten Wochen schon oft genug krank gewesen.« James sah neugierig auf.
»Wirklich? Weshalb?« Die Erinnerungen und Gefühle der letzten Wochen drohten wieder hochzukommen und Emma musste den Blick senken, als sie antwortete:
»Sagen wir mal so, meine Psyche hat es nicht sonderlich gut aufgenommen, dass du mich abserviert hast.« Als er nicht antwortete, sah sie auf und bemerkte seine angespannte Haltung. Er sah so unfassbar gequält aus, dass sie ihre Worte am liebsten zurückgenommen hätte. Es war ungerecht, ihn dafür zu beschuldigen, nun, da sie wusste, dass er sie nur beschützen wollte. Dennoch wollte sie ihn wissen lassen, wie sehr ihr die letzten Monate zugesetzt haben.
»Emma«, begann er, doch sie kam ihm zuvor.
»Nein, ist schon gut. Ich weiß ja, dass du keine andere Wahl hattest.« Dennoch schaffte sie es nicht, ihn länger anzusehen. Sie war darauf eingestellt, Wut und Verachtung zu verspüren, sobald sie auch nur an James dachte. Doch nun war ihr Bild erneut erschüttert und der dicke Panzer aus Zorn und Abscheu fiel langsam in sich zusammen. Trotzdem war ihre Wut noch nicht ganz verschwunden. Sie hatte sich nur zurückgezogen und schlummerte in einem hinteren Teil ihrer selbst. Emmas Blick war auf die wehenden Baumblätter vor dem Fenster gerichtet. Als sie das Bett knarren hörte, drehte sie sich zu James um. Da sah sie, dass er Anstalten machte, sich neben sie zu setzen.
»Was machst du da?«, fragte sie erschrocken.
»Bleib bloß liegen. Du bist voller Schmerztabletten, nicht, dass du mir noch umkippst!« Sie wollte ihn wieder ins Bett drücken, als er blitzartig seinen Arm ausstreckte und sie an sich zog. Vollkommen überrascht gab Emma der Berührung nach und ließ sich an seine Brust drücken. Doch ihre Überraschung währte nur eine Sekunde. Sobald sie ihm nahe genug war und seinen berauschenden Körperduft einatmete, schloss sie die Augen und legte ihre Wange an seine warme Brust. Mit einem Mal waren alle Bedenken wie weggespült und es fühlte sich einfach nur richtig an.
»Trotzdem muss ich mich besonders für die Art und Weise entschuldigen. Ich habe es in deinen Augen gesehen. Du hast jedes Wort geglaubt, das ich dir an den Kopf geworfen habe und das macht mich fertig«, nahm er ihr Gespräch wieder auf.
»Es war natürlich beabsichtigt gewesen, dass du wütend auf mich bist, aber dass du mir so schnell glaubst?« Er schaute auf Emma herab und sie musste die Augen schließen, um ihre Tränen zurückzuhalten. Es war eigenartig. Denn obwohl sie wusste, dass seine Worte nicht ernst gemeint waren, war sie immer noch gekränkt. Ob sie sich jemals wieder normal fühlte?
»Es tut so mir leid«, flüsterte er und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.
»Aber ich habe keine andere Wahl
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