Stunde der Wahrheit
gehabt. Wenn ich dir das irgendwie hätte ersparen können …« Sie blickte auf und legte ihm einen Finger auf die Lippen, damit er verstummte.
»Ich weiß, James. Ich weiß.«
Kapitel 11
Am nächsten Morgen verließen sie das Krankenhaus schon frühzeitig. Weder James noch Emma wollten dort länger als nötig verweilen, auch wenn James als Privatkunde mehr als fürstlich behandelt wurde. Offenbar konnte man wirklich alles bewirken, wenn man das nötige Kleingeld besaß. So hatte man Emma zum Beispiel erlaubt, über Nacht zu bleiben und in seinem Krankenbett zu schlafen.
»Was ist eigentlich mit deinem Auto?«, fragte sie, als sie im Taxi saßen und zu ihm nach Hause fuhren. James hatte einen Arm um sie gelegt und ließ sein Kinn auf ihrem Kopf ruhen.
»Darum kümmere ich mich morgen. Obwohl ich bezweifle, dass ich es je wieder sehen werde«, sagte er. Das war das erste Mal, dass er gesprochen hatte, seit sie ins Taxi gestiegen waren. Er war die ganze Zeit über sonderbar still gewesen und schien unschönen Gedanken hinterherzuhängen. Ob es daran lag, dass er beinahe verblutet wäre? Doch irgendwie glaubte sie das nicht. Ihn schien noch etwas anderes zu plagen, doch sie traute sich nicht, ihn darauf anzusprechen, aus Angst, es könnte den glücklichen Moment ihrer Zweisamkeit zerstören. Ihr war, als wären sie von einer dünnen Blase der Freude umgeben. Freude darüber, dass James noch lebte und sie wieder zueinander gefunden hatten. Eine Blase, die allerdings jeden Moment wieder platzen konnte. Sie wollte den Moment so lange wie möglich erhalten, denn bald, da war sie sich sicher, mussten sie sich mit ihrem jüngsten Problem auseinandersetzen – Liam. James verfiel wieder ins Schweigen, also schloss Emma die Augen und hing den Rest der Fahrt ihren eigenen Gedanken nach.
Nachdem sie die Villa betreten hatten, gingen sie beide duschen. James, weil er von den Spuren des Kampfes noch vollkommen verdreckt war und Emma, weil sie irgendetwas zu tun haben wollte. Sie duschten allerdings nicht gemeinsam, sondern auf getrennten Etagen. Immer noch sonderbar still, verschwand James in die erste Etage, während Emma das Gästebad nahm. Als sie fertig war, föhnte sie ihre Haare und schlüpfte in einen viel zu großen Bademantel, den ihr James freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte.
Schließlich stopfte sie ihre schmutzigen Sachen in einen Beutel, verstaute ihn in ihrer Handtasche und machte es sich vor dem Fernseher bequem. Sie schaute einen Musiksender, hörte aber nur mit halbem Ohr hin, denn ihre Gedanken galten hauptsächlich James. Warum war er so nachdenklich? Waren sie eigentlich wieder zusammen? War alles normal zwischen ihnen? Hatte sie ihm überhaupt verziehen? Sie wusste es nicht und war von seinem Benehmen mehr als verwirrt. Am liebsten hätte sie alle schlechten Gedanken beiseitegeschoben und wäre zu ihm unter die Dusche gestiegen, doch aus Gründen, die sie selbst nicht nennen konnte, tat sie es nicht. James nahm sich sehr viel Zeit beim Duschen. Denn während sie nur eine Viertelstunde benötigt hatte, ließ er sich erst nach eineinhalb Stunden blicken.
Was hätte sie nicht alles gegeben, um seine Gedanken lesen zu können. Worüber dachte er so angestrengt nach? Fühlte er sich immer noch schuldig? Zweifelte er an ihnen? Kaum war ihr der Gedanke gekommen, blitze das Coverbild mit ihm und der Rothaarigen vor ihren Augen auf. Emmas Magen verkrampfte sich. War das etwa des Rätsels Lösung? Liebte er eine andere? Hatte er Gewissensbisse, weil er sich in der Zeit, in der sie getrennt waren, in seine Kollegin verliebt hatte? War er deshalb so zurückhaltend? In einer knackigen schwarzen Short gekleidet, kam er die Treppe hinunter. Um seinen rechten Schenkel war ein dünner Verband gewickelt, der von weitem wie ein zu dick geratenes Gummiband aussah. Doch eine andere Frage drängte das aufkommende Verlangen nieder.
»Wer ist deine rothaarige Kollegin? Bist du mit ihr zusammen?« James blieb mitten im Raum stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Barriere gelaufen.
»Nein«, antwortete er und wusste offenbar sofort, wen sie meinte.
»Das war nur Show, damit Liam denkt, ich hätte kein Interesse mehr an dir. Ich hatte gehofft, dass er das Interesse an dir verliert, wenn er sieht, dass du mir nichts mehr bedeutest, aber leider hat er sich nicht so einfach austricksen lassen.« Emma sah in seine Augen, die absolute Ehrlichkeit widerspiegelten.
»Ihr habt also nicht …?« Er schüttelte den
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