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Sturm auf den Hexenstern

Sturm auf den Hexenstern

Titel: Sturm auf den Hexenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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deren Wunde zu untersuchen. Nur widerstrebend ließ Exell es geschehen.
    »Wir sollten den Splitter entfernen«, murmelte die Schiffsführerin.
    »Aber wozu?« Exell winkte barsch ab. »Der Schmerz läßt nach, und die Wunde hat zu bluten aufgehört. Sie wird verheilen.«
    »Glaubst du das wirklich?« Nataika wechselte einen schwer zu deutenden Blick mit Moule. »Der Stolz der Jungen, nicht wahr, Exell? Um nichts in der Welt würdest du deine Schmerzen vor uns zeigen. Und wiegt ein Splitter von diesem Stein, der offenbar für die Zaem selbst von solch großer Bedeutung ist, nicht ein Dutzend Narben auf?«
    Der Spott in ihrer Stimme war nicht zu überhören, doch noch etwas anderes schwang darin mit, etwas, das Exell schaudern machte.
    Als sie schon glaubte, Nataika würde auf ihrer Forderung bestehen, wandte diese sich um. Ein Ruck ging durch ihre Gestalt. Ihre breiten Schultern hoben sich unter einem heftigen Atemzug.
    »Wir rudern auf die Mitte des Sees, Moule, bevor wir den Hexenschlag verlassen. Ich möchte mir über etwas Gewißheit verschaffen.«
    Moules Lippen öffneten sich zu heftigem Widerspruch. Doch dann schwieg sie.
    Nataika rief den Ruderinnen ihre Befehle zu. Die Sturmbrecher wurde gedreht und schob sich langsam auf jene Stelle zu, über der die vereinten magischen Kräfte der zwölf Hexen den riesigen Gesteinsbrocken gehalten hatten, bis er zerbarst.
    Die Trümmer der Boote trieben auf den Wellen, und zwischen ihnen die verstümmelten Leichen der zwölf.
    »Sie konnten die Kräfte, die dem Stein innewohnten, nicht mehr im Zaum halten«, erklärte Moule. Ihre Stimme war leise, wie von starker innerer Anteilnahme. »Ich spürte es, als ich versuchte, ihren Kreis zu verstärken. Was nach uns allen griff, traf sie mit noch viel größerer Wucht.«
    Nataika nickte finster. Sie schüttelte sich, als sie wieder eine Kälte nach ihrem Herzen greifen fühlte, die nicht von dieser Welt sein konnte.
    »Wir brechen auf!« rief sie den ungeduldig wartenden Kriegerinnen zu. »Rudert, bis wir den See hinter uns gelassen haben!«
    Exell wandte den Blick ab, als Nataika und Moule an ihr vorbeischritten. Eine der nur leicht verwundeten Amazonen schlug den Takt. Die langen Ruderspeere tauchten erneut ins Wasser. Langsam setzte sich das Schiff in Bewegung.
    Exell starrte in die Nacht hinaus, sah schwach die Türme über den steilen Uferfelsen und fragte sich, ob die Plätze der zwölf toten Hexen wieder von anderen eingenommen werden würden.
    Sie wollte es nicht wirklich wissen. Sie wollte nur fort von hier, heraus aus dem Hexenschlag, dessen Klippen und Steilwände ihr nun vorkamen wie die Mauern eines Kerkers, aus dem es für den, der zu lange darin verweilte, kein Entrinnen mehr gab.
    Exell hatte gelogen, als sie Nataika versicherte, die Schmerzen in ihrer Schulter ließen nach. Genau das Gegenteil war der Fall. Der Splitter brannte wie Lava aus dem Schlund des tiefsten Vulkans. Die Wunde pochte. Exell biß tapfer die Zähne zusammen. Nein, sie würde den Schmerz nicht zeigen und wehrte sich gegen die Ahnung, daß er sie letzten Endes doch übermannen würde.
    Warum weigerte sie sich dagegen, den Splitter herausschneiden zu lassen? Moule verstand sich, wie sich gezeigt hatte, auch auf die Magie des Heilens. Was hatte sie also zu befürchten?
    Was hatte von ihrem Geist Besitz ergriffen, das sie dazu zwang, die angebotene Hilfe abzulehnen?
    Exell drehte sich um und verlor dabei fast den Halt. Sie lehnte sich gegen einen Mast und sah Moule einsam im Heck stehen und die Hände gen Himmel recken.
    Hatte sie sich in ihr getäuscht? War sie gar nicht die Menschenverächterin, die sie in ihr gesehen hatte? Oder hatte sie andere, nur ihr bekannte Gründe für ihre Besorgnis um sie?
    Auch davon wollte Exell jetzt nichts wissen. Ganz gleich, was sie von der Hexe zu halten hatte - jetzt wirkte sie ihre Magie und holte die Winde herbei, die die Segel blähten und die Sturmbrecher schnell wie einen Pfeil werden ließen. Zusätzlich beeinflußte sie die Strömungen, auf daß das Schiff wie auf einer großen Woge aus dem Graben herausgetragen wurde, endlich auf die offene See hinaus und weiter gen Süden!
    Exell sehnte den Anblick der Flotte herbei, und das nicht nur, um beim Sturm auf den Hexenstern dabei sein zu können. Es war etwas anderes, etwas, das ihr einen kalten Schauder nach dem anderen den Rücken hinunterjagte. Ihr war nach Schreien zumute, vor Schmerzen und vor Angst.
    Sie litt Höllenqualen und bot ihre ganze Kraft

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