Sturm auf den Hexenstern
hinunter zum Abdichten!«
Füße schlugen hart auf die Planken. Exell zog sich an einer Kiste in die Höhe und versuchte taumelnd mit den Kriegerinnen Schritt zu halten, die Nataikas Befehl nachkamen.
Moule fing sie auf, als sie zusammenbrach.
»Nicht die Verwundeten«, tadelte die Hexe, und Exell schien, als läge in ihrer Stimme nun so etwas wie menschliche Wärme, wie Anteilnahme.
»Es… geht schon wieder«, preßte sie hervor.
Moule schob ihre Hand sanft beiseite und musterte im Schein ihrer Fackel die Schulterwunde.
»Du hast großes Glück gehabt«, sagte sie. »Eine Handbreit tiefer, und der Splitter hätte dein Herz durchbohrt. Aber er steckt noch im Fleisch.«
Exell löste sich aus ihrem Griff, stand schwankend vor ihr und machte eine abwehrende Geste.
»Ich sterbe nicht daran, aber ich danke dir, Moule. Kümmere dich nicht um mich. Anderen ist es schlimmer ergangen. Meine Wunde ist nicht der Rede wert.« Sie stockte. »Was war das, Moule? Dieser riesige, leuchtende Stein und was von ihm ausging. Er muß…« Wieder zögerte sie. War es nicht nur eine ungeheuerliche Vermutung von ihr, geboren aus Angst und Entsetzen, daß der Stein nicht von dieser Welt war? Aber hatte nicht Moule selbst ihn einen Himmelsstein genannt?
»Er ist vom Himmel gefallen?« fragte Exell heiser.
Die Hexe nickte ernst. Ihr Blick ging an Exell vorbei und richtete sich in unbekannte Fernen.
»Ich denke, daß wir nie wirklich erfahren werden, woher er kam und wie lange er auf dem Grund dieses Sees ruhte, Exell. Es ist möglich, daß er nur ein Teil eines viel größeren ist, der nach wie vor in der Tiefe liegt. Sicher wissen wir nur, daß er die Ursache für all das Böse und Unheimliche war, das von diesem Ort ausging, und das die zwölf Hexen zu bannen suchten.«
Exell blickte sie aus großen Augen an. Sie hatte das bestimmte Gefühl, daß Moule noch etwas zu sagen hatte, aber zögerte.
»Und?« fragte sie leise. »Was noch?«
»Ich denke, daß alles so kommen mußte, wie es geschehen ist. Der sieben Fuß große Brocken, der in die Sturmbrecher einschlug und nun im Schiffsleib liegt, ist die Fracht, die wir zu Zaem zu bringen haben - zum Frostpalast.«
»Oh, verdammt!« stieß Exell heiser hervor.
*
Nataika stand lange vor dem menschengroßen Gesteinsbrocken, der in einem der Laderäume unverrückbar auf seiner flachen Seite lag. Sie hütete sich davor, allzu nahe an ihn heranzutreten. Irgend etwas flüsterte ihr eine stumme Warnung zu, ja drängte sie, sich von dem Stein zurückzuziehen.
Nun verstand Nataika nicht mehr als jede ihrer Kriegerinnen von Magie, doch hatte sie oft genug erfahren müssen, daß es durchaus ratsam war, solch einer inneren Stimme zu gehorchen. Auch spürte sie, daß von dem Stein etwas ausging, das ihr zwar keine Schmerzen oder Ängste, so doch zunehmendes Unwohlsein bescherte, je länger sie vor ihm verharrte.
Kurz erwog sie, Moule zu Rate zu ziehen. Dann aber ließ sie diesen Gedanken fallen und befahl den sechs Amazonen, die sie zur Wache im Laderaum eingeteilt hatte, den größtmöglichen Abstand vom Stein zu halten. Moule hatte ihr nur erklärt, daß sie in ihm jene Fracht sah, die es zum Hexenstern zu befördern galt. Und der Wille der Zaem war zu erfüllen, nicht ihrer, Nataikas.
»Haltet euch von ihm fern!« schärfte sie den Kriegerinnen nochmals ein. »Und erstattet mir sofort Bericht, falls sich irgend etwas tut - auch, wenn ihr nur glaubt, daß etwas geschehen wird!«
Ihren Gesichtern war anzusehen, wie wenig begeistert sie von ihrer Aufgabe waren. Nataika inspizierte das abgedichtete und geflickte Leck und begab sich zum Treppenaufgang.
»Ich werde euch früh genug ablösen lassen«, versprach sie, wie um ihr Gewissen zu beruhigen.
Auf Deck brannten die Windlichter und spiegelten sich dunkelrot auf den seichten Wellen des Sees. Moule und einige Kriegerinnen warteten im Bugkastell. Das Gros der Amazonen saß an den Rudern und wartete offensichtlich nur auf die Befehle der Schiffsführerin.
»Wir sollten keine Zeit mehr verlieren«, forderte die Seehexe. »Denn immer noch lauert Gefahr an diesem Ort, und die Zaem erwartet die Sturmbrecher.«
Nataika nickte zögernd.
»Wie viele Tote und Verletzte?«
»Sechs Kriegerinnen starben durch die Gesteinssplitter«, antwortete Moule. »Etwa doppelt so viele wurden verletzt, aber sie werden leben. Exell dort drüben trägt noch den Splitter in ihrer Schulter.«
Nataika legte die Stirn in Falten und begab sich zur Jungamazone, um
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