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Sturm auf den Hexenstern

Sturm auf den Hexenstern

Titel: Sturm auf den Hexenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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denkst also auch, sie könnte uns absichtlich…«
    »Von der Flotte getrennt haben?« Gorma trat einen herumliegenden Holzsplitter zur Seite. »Egal, was wir denken. Wir können ihr nichts beweisen.«
    »Aber das wäre… Sie hätte sich damit dem Befehl der Zaem widersetzt!«
    Gudun lachte.
    »Das sagst ausgerechnet du, Mythor?«
    Er spähte wieder aufs Meer hinaus, suchte nach jener Stelle, an der er soeben einen schwachen, dunklen Strich am Horizont zu erkennen geglaubt hatte.
    Er fand ihn wieder, und diesmal konnte es sich um keine Einbildung handeln. Mythor winkte den Amazonen, doch es war Josnett, die an seine Seite trat.
    »Dort muß Land sein«, sagte er. »Siehst du es?«
    »Eine Insel«, murmelte die Schiffsführerin. »Ja, du hast recht. Und sie wird nicht die einzige sein. Wenn ich als Seefrau nur noch einen Krümel Brot wert bin und unsere Position nur annähernd richtig einzuschätzen vermag, liegt dort vor uns die nördliche Krerell-Inselgruppe.«
    »Und?« fragte Gudun schnell. »Hilft uns das weiter?«
    »Du meinst, ob wir jetzt unsere Position zur Flotte kennen? Ich fürchte, ja.«
    »Du fürchtest es?«
    Josnett nickte finster.
    »Wir wurden noch viel weiter abgetrieben, als ich dachte. Um auf kürzestem Wege zur Flotte aufzuschließen, müssen wir wohl oder übel durch die Krerell-Inseln hindurch. Ich habe diese Gewässer selbst noch nie befahren, aber ich kenne Seefrauen, die wenig Gutes über die Inseln zu berichten wissen. Sie sind, ungastlich, und zwischen ihnen soll es viele gefährliche Untiefen geben. Schlimmer als das alles sind aber die Bewohnerinnen der Krerells, ein rauhes Weibervolk.«
    »Was nennst du ein rauhes Weibervolk?« fragte Mythor mit leisem Spott.
    Josnett ging nicht darauf ein.
    »Eine alte Seefahrerin erzählte von ihren Gefährtinnen, die mit ihr zusammen auf einer der Inseln landeten. Sie allein konnte sich in einem Boot retten und wurde nach Wochen aus dem Meer gefischt. Die Dämonen mögen wissen, wie sie fliehen und so lange am Leben bleiben konnte, denn beide Augen hatte man ihr herausgeschnitten. Ihre Gefährtinnen wurden bis auf die letzte niedergemacht.
    Ihre Häupter schmücken die Hütten der Barbarinnen.«
    »Wir brauchen keine der Inseln anzulaufen«, sagte Tertish. »Außerdem können wir sie umfahren. Das kostet uns vielleicht Zeit, aber wenn du meinst, daß es sicherer wäre…«
    »Eben!« knurrte Josnett. »Es kostet uns Zeit, und Zeit haben wir genug verloren. Außerdem kann es sehr wohl geschehen, daß wir eine der Inseln anlaufen müssen - nämlich dann, wenn an ihrem Strand ein Leuchtfeuer brennt.«
    »Und warum?« fuhr Gorma auf. »Auch dadurch geht Zeit verloren. Weshalb also?«
    Josnett sagte es ihr.
*
    Ihr Name war Ranky, und seit den Tagen der Großen Mutter war sie die unangefochtene Anführerin des Stammes, der als einziger auf der Insel geblieben war, die die Bewohnerinnen aller anderen Eilande in diesem Teil Vangas nur »die Verwunschene«, nannten. Niemand wagte sich in ihre Nähe. Selbst Fischer- und Jägerboote blieben ihren Küsten fern. Dies war so seit vielen Jahren - genauer gesagt: seit jenem dunklen Tag, an dem der Drache dem Meer entstiegen war.
    Ranky stand hochaufgerichtet auf einem der mächtigen Steine, unter denen die Kadaver der drei von ihr getöteten Echsen ruhten, tief unter ihren Füßen. Von diesem geheiligten Ort aus hatte sie einen Tag und eine Nacht Ausschau gehalten nach den Schiffen, deren Kommen ihr vom Orakel geweissagt worden war.
    Jetzt starrte sie die beiden Frauen an, die, wie sie selbst, in dicke und warme Felle gehüllt waren, die von den Schultern bis zu den Knien reichten und von ledernen Gürteln zusammengehalten wurden. In Schlaufen trugen sie ihre Waffen daran - das Schwert und das Kampfbeil.
    Ihre Augen waren blau, ihr Haar blond und zu zwei langen Zöpfen geflochten. Nicht nur das unterschied sie von den anderen Frauen Vangas, die sich ab und an ins Reich der Inseln verirrten. Alle Bewohnerinnen des Eilands glichen sich in ihrem Aussehen. Sie waren hochgewachsen und kräftig, und ihre Haut war hell und von einem zarten Rosa.
    Dies aber war auch das einzige, das zart an den Inselweibern war. Ihr Leben war von der Stunde ihrer Geburt an Kampf gegen eine feindliche Umwelt, gegen die Unbilden des Wetters und die Tücken des Meeres. Kampf hatte sie geprägt, und Kampf war ihr Element, wenngleich sie nichts mehr mit den Barbarinnen gemeinsam hatten, die die Insel vor den Tagen der Großen Mutter beherrscht

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