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Sturm der Barbaren

Titel: Sturm der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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Rationalen Sterne erinnern?
    Einst besaß ich einen Turm, Himmel von hier,
    mit Mauern aus Alabaster und Kuppeln aus Silber.
    Hoch über Feldern und Häusern
    entfachte er meine Feuer und nahm mir die Angst.
     
    Oh … nimm die neuen Inseln im See und die grünen Meere;
    nimm die Teiche und hohen Bäume,
    nimm die Wüstendünen und den sonnendurchfluteten Sand
    und lass alles durch deine leeren Hände rieseln.
     
    Lorn schluckt, obwohl er zuvor beschlossen hat, keine Regung zu zeigen.
    »Es ist traurig, findest du nicht?«
    Er schüttelt den Kopf. »Ich weiß nicht.«
    »Doch, du weißt es«, erwidert sie.
    »Warum … warum hast du es mitgebracht?«
    »Weil es nun dir gehört. Weil ich will, dass du es aufbewahrst und jedes Gedicht darin liest.«
    »Aber es gehört dir«, beharrt Lorn weiter.
    »Du musst es annehmen und darin lesen. Mindestens alle paar Tage. Versprich es mir.«
    »Ich verspreche es.« Lorn nickt nachdenklich. »Du redest gar nicht mehr wie eine Händlerin.«
    »Glaubst du etwa, dass wir alle nur eine Seite haben? Dass ich nur eine harte Händlerin bin? Dass du nur ein logisch denkender Magier sein kannst?«
    »Man muss sich sehr bemühen, um gut zu sein.«
    »Du hast … wir haben auch noch Zeit für andere Dinge.« Sie lächelt. »Auch neben der Liebe.«
    Lorn blickt hinunter auf das Buch und gibt vor, traurig zu sein. »Soll ich mir jetzt etwas aussuchen?«
    »Dummkopf! Wir werden Zeit für beides finden.«
    Lorn betrachtet noch einmal den silbergrünen Einband, so neu, so makellos und doch so alt, und die Fragen nehmen kein Ende.

 
XII
     
    I n den blau schimmernden Händlerkleidern und den blauen Stiefeln läuft Lorn eilig die Straße des Lauteren Handels entlang. Sein Ziel ist das Gebäude, in dem die Klanlosen Händler ihren Sitz haben, das Haus, in dem Ryalth ein sehr kleines Kontor eröffnet hat, hauptsächlich, so nimmt Lorn an, um ihren Status als Freie Händlerin zu legitimieren. Er muss sich beeilen, denn er hat beobachtet, wie sein Vater die Treppe zu Lektor Chyenfels Arbeitszimmer im Viertel der Magi’i hinaufgestiegen ist. Das war am Nachmittag, als Lorn gerade den unteren Turmflur entlangging; er wusste sofort, dass er sich praktisch schon auf dem Weg zur Lanzenkämpferausbildung befindet.
    Es könnte theoretisch auch andere Gründe haben, dass Chyenfel Lorns Vater zu sich ruft, aber Lorn bezweifelt dies stark, und das bedeutet, dass ihm nur noch sehr wenig Zeit bleibt, bevor er fortgeschickt wird. Viel zu wenig Zeit für das, was noch getan werden muss, denn es besteht kein Zweifel daran, dass die Lektoren, sobald sie wissen, dass Lorn gehen muss, ihn ununterbrochen beobachten werden, so lange, bis er Cyad endgültig verlassen haben wird, und wahrscheinlich noch darüber hinaus. Er hofft, dass es in der Unterredung um sein Studium geht und nicht um etwas anderes; wie etwa um den Chaos-Zwang, den er auf Haithor ausgeübt hat. Doch bisher hat niemand etwas davon erwähnt und Ryalth spricht im Zusammenhang mit dem Tod des Händlers nur von einem Unfall.
    Die unbedingte Entschlossenheit in der Stimme seines Vaters hat gereicht, um Lorn alle Hoffnung zu nehmen, denn wenn es um Magierangelegenheiten geht, handelt sein Vater immer äußerst korrekt. Lorn schiebt diese Gedanken beiseite und betrachtet geistesabwesend die Straße, durch die er läuft.
    Keiner, den er kennt – oder der ihn kennt – sitzt im Kaffeehaus, dem Leeren Viertel, als er daran vorbeihastet. Die Markise, die die leeren Tische draußen schützen soll, ist aufgerollt und alle Stammgäste sitzen drinnen im Trockenen und Warmen.
    Die Luft ist eiskalt trotz der hellen Wintersonne, das Salz in der Luft beißt sich in sein nacktes Gesicht, den Hals und die Hände.
    An der Ecke zum Dritten Hafenweg bleibt Lorn stehen und wartet, bis eine weiß lackierte geschlossene Kutsche, gezogen von zwei weißen Stuten, leise vorbeigerauscht ist. Ein Windstoß bringt etwas Wärme mit und den Geruch von frisch gebackenem Brot, begleitet von einem ganz leichten Erhenblumenduft, den wahrscheinlich die Frau ausströmt, die in der Kutsche sitzt.
    Zwei Lanzenkämpfer von niederem Rang stehen an der gegenüberliegenden Ecke, ihre Augen folgen der Kutsche, und Lorn muss unweigerlich lachen, weil sie ihr Interesse so offen zur Schau stellen. Wer weiß, vielleicht wird auch er eines Tages an einer Ecke in einer weit abgelegenen Stadt wie Syadtar stehen? Oder in einer der Städte, die an den Verwunschenen Wald grenzen – wie Geliendra oder

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