Sturm der Herzen
begriffen, welche Entscheidungen sie damit für ihn getroffen hatte.
Es gab niemanden in der ganzen Gegend hier, der mehr geachtet wurde als Marcus Sherbrook. Alle, von dem vornehmsten Adeligen bis zu dem niedrigsten Küchenjungen, wussten, dass Marcus Sherbrook ein Mann war, dem man trauen konnte, ein ehrlicher, gerechter Mann. Und nun hatte sie ihn zum Teil der Lüge gemacht, die sie Tag für Tag lebte.
Sie hob eine Hand, um ihn zu berühren, ließ sie aber unverrichteter Dinge wieder sinken. »Es tut mir leid«, erklärte sie schlicht. »Ich wollte dich nie da hineinziehen.«
»Und wie hattest du vor, mich herauszuhalten?«, erkundigte er sich, nicht sicher, was ihn mehr erboste: dass sie ihm nicht genug vertraut hatte, um ihm die Wahrheit zu sagen, oder dass sie es ihm unmöglich gemacht hatte, etwas anderes zu tun, als sich daran zu beteiligen. »Du musstest doch wissen, dass ich die Wahrheit erkennen würde, sobald ich herausgefunden hatte, dass du noch Jungfrau warst.«
Ihr stets leicht reizbares Temperament regte sich, und sie fuhr mit wütend blitzenden Augen zu ihm herum. »Wie du dich vielleicht erinnerst, habe ich alles unternommen, was mir nur eingefallen ist, um unsere Verlobung zu beenden.« Sie zeigte anklagend mit dem Finger auf ihn. »Das hier ist deine Schuld. Ich wollte dich nie heiraten. Du hast mich dazu gezwungen, und wenn du mich nicht geheiratet hättest, hättest du von all dem nie erfahren. Also mach mir keine Vorwürfe!«
Marcus schnitt eine Grimasse. Da hatte sie allerdings recht. »Nun denn«, stimmte er ihr zu, »es ist also meine Schuld, dass wir verheiratet sind, und deswegen bin ich nun Mitwisser einiger unerwarteter Wahrheiten - oder Lügen, wenn man so will.« Seine Augen wurden schmal. »Hat Whitley dich deswegen erpresst? Wegen Edmund?«
Isabel fuhr sich mit einer Hand durch die wirren Locken. »Ja«, antwortete sie müde.
»Wie viel weiß er?«
»Er kann nichts beweisen, und wenn ich nicht den Kopf verloren hätte gleich am ersten Tag, an dem er hier aufkreuzte, und ihm kein Geld gegeben hätte, sondern alles einfach abgestritten hätte, wäre er unverrichteter Dinge wieder gegangen. Glaube ich wenigstens.« Sie seufzte. »Aber nachdem ich ihm das Geld gegeben hatte, war er wie ein Schakal, der die Beute des Tigers gewittert hat: Er wusste, da lag etwas in der Luft; und er musste nur immer darum kreisen, bis er es schließlich fand.«
»Aber er hat keinen hieb- und stichfesten Beweis, richtig?«
Sie seufzte erneut. »Nicht, dass ich es wüsste. Der Anhänger ist das, was einem Beweis am nächsten kommt, aber für sich allein beweist er nichts.« Sie schaute ihn an. »Aber ich wusste nicht, was er in der Hand hatte, daher durfte ich kein Risiko eingehen.« Sie schaute ihn um Verständnis flehend an. »Aber selbst ohne Anhänger, selbst wenn er nichts beweisen konnte, so musste er doch nur den Samen des Zweifels an Edmunds Legitimität säen, dann wäre Edmund geschadet und der Seelenfrieden des Barons gestört. Die Umstände meiner überstürzten Ehe mit Hugh haben, da bin ich sicher, eine Reihe Mutmaßungen nach sich gezogen und jede Menge Klatsch hier ausgelöst. Als dann die Nachricht von Edmunds Geburt auf Manning Court eintraf, zweifle ich nicht, dass es viele hochgezogenen Brauen gab, als die Leute an den Fingern abzuzählen begannen und merkten, dass er ein Achtmonatskind war.« Sie lachte bitter. »Natürlich war es genau das, was die meisten von mir erwarteten, aber wenn jemand aufgepasst hätte, wäre aufgefallen, dass Hugh zur betreffenden Zeit, in der Edmund gezeugt worden sein musste, gar nicht auf Manning Court war.« Erschöpft fügte sie hinzu: »Während Hugh am Leben war, haben wir uns ständig deswegen gesorgt, aber es gab keinen Grund, weshalb jemand auf die Idee kommen sollte, zu überprüfen, ob Edmund das war, was wir beide behaupteten: Hughs und mein Sohn.« Ihre Hand ballte sich zur Faust, und sie warf Marcus einen flehentlichen Blick zu. »Aber wenn Whitley anfinge, Fragen zu stellen, herumzustochern und müßige Gerüchte in die Welt zu setzen, wäre es möglich, wenn auch wenig wahrscheinlich nach dieser langen Zeit, dass jemand die Wahrheit aufdecken könnte. Dieses Risiko durfte ich nicht eingehen.«
Marcus ging in Gedanken zu den schmerzlichen Monaten zurück, nachdem Isabel mit Hugh durchgebrannt war und ihn geheiratet hatte. Zu gut erinnerte er sich noch an den Klatsch und Tratsch; und noch besser wusste er, wie viele alte Klatschbasen
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