Sturm der Herzen
wissende Blicke und mehrdeutige Bemerkungen gemacht hatten, als der Baron überglücklich und stolz von seinem Enkel gesprochen hatte. Er hätte den Grund hinter diesen Blicken schon damals erahnen müssen, aber er hatte sich noch nicht von dem Schock der Erkenntnis erholt, dass Isabel nun auf immer für ihn verloren war … und dass sie ihrem Ehemann einen Sohn geboren hatte. Selbst jetzt konnte er noch die schneidend scharfe Enttäuschung und Verzweiflung spüren, die er damals empfunden hatte. Er schüttelte sich. Das war vorbei. Isabel war nun seine Frau. Ein zufriedenes Lächeln glitt über seine Züge. Sie hatte Hugh nie gehört …
Er musterte ihre blasse kleine Gestalt, stellte fest, dass es ihm nicht sonderlich viel ausmachte, dass sie und Hugh alle möglichen Lügen und Halbwahrheiten um Edmund ersonnen hatten. Alles, was ihn interessierte, war, dass sie hier war und seine Frau. Seine Frau, nicht Hughs. Niemals Hughs.
Marcus versuchte Reue angesichts der tiefen Befriedigung zu empfinden, die ihm dieses Wissen verschaffte, aber es ging nicht. So nobel konnte er dann doch nicht sein. Nun stand Wichtigeres auf dem Spiel als seine Gefühle, daher zwang er sich, sich auf die Lügen um Edmunds Geburt zu konzentrieren. Sie hatte die Bürde mehr als zehn Jahre lang allein getragen, und wenn er auch wütend war, dass sie ihm nie die Gelegenheit eingeräumt hatte, diese Bürde mit ihr zu teilen, wollte er doch unbedingt die Wahrheit hören.
Er schaute sich in dem weiblich wirkenden Zimmer um und verzog das Gesicht, als er die beiden zierlichen Stühle sah. Es würde eine lange Nacht werden, und er würde sie gewiss nicht auf einer so winzigen und unbequemen Sitzgelegenheit verbringen.
Abrupt erklärte er: »Komm mit in mein Zimmer. Da brennt ein Feuer.« Er schaute auf die Teekanne, erschauerte und erklärte halblaut: »Und etwas Stärkeres zu trinken gibt es ebenfalls.«
Isabel war dankbar für die Unterbrechung und sagte daher nichts, als er ihre Hand nahm und sie praktisch aus ihrem in sein Schlafzimmer zog. Erst nachdem er es sich in einem weinrot bezogenen Polstersessel vor dem kleinen, aber fröhlich flackernden Feuer bequem gemacht hatte und ihr und sich ein Glas Brandy eingegossen hatte, sagte er: »Und nun erzähl es mir. Alles.«
13
I sabel blickte sich in dem gemütlich eingerichteten Zimmer um, in dem außer dem Feuer im Kamin nur zwei hohe silberne Kerzenleuchter auf dem breiten Kaminsims aus Eiche Licht spendeten, und nahm allen Mut zusammen, sie überlegte, wie sie anfangen sollte. Sie hatte so viele Jahre mit der Angst gelebt, dass eines Tages die Wahrheit über die Umstände von Edmunds Geburt ans Licht käme und alles zerstört wäre, was sie, Hugh und Edmunds Mutter geplant hatten. Zwar waren Hugh und Edmunds Mutter tot, aber Edmund und Lord Manning waren noch am Leben, und für diese beiden hatte sie die Lüge fortgeführt. Sie wagte einen Blick in Marcus’ harte Züge. Eine Lüge, die nicht länger ihre allein war. Sie versuchte Zeit zu schinden und nippte an ihrem Brandy. Der Alkohol wärmte sie von innen heraus, und sie wusste, dass es sich nicht weiter hinauszögern ließ, sie holte tief Luft und erklärte: »Ihr Name war Roseanne Halford.«
Marcus schaute sie erstaunt an. »Nicht das einzige Kind von Tölpel Halford, oder?«, fragte er ungläubig.
Isabel zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht, aber vermutlich ist es so. Roseanne entstammte einer wohlhabenden und angesehenen Familie.« Sie beugte sich vor und sagte eindringlich: »Sie war nicht einfach ein kleiner Niemand. Ihre Geburt und ihre Familie waren so gut wie deine und meine. Ihr Vater hatte sogar eine Ehe für sie arrangiert, mit dem Erben einer Baronie, auch wenn es nicht offiziell bekannt gegeben wurde.«
Marcus runzelte die Stirn, als er sich an ein paar alte Gerüchte erinnerte, die sich um Halford und Lord Brownleigh gedreht hatten, bekanntermaßen dicke Freude, und die Möglichkeit einer Verbindung zwischen Halfords Tochter und Brownleighs Erben. Der unerwartete Tod von Halfords Tochter auf einer Reise durch Italien hatte beide Familien schwer getroffen und allen Hoffnungen ein Ende gesetzt, die Familien durch Heirat zu verbinden. Wenn Roseanne Halford aber in Wahrheit in Indien gestorben war, wie es nach Isabels Erklärung den Anschein hatte, dann hatte der alte Halford offenbar die Fakten um den Tod seiner Tochter verfälscht in Umlauf gebracht.
Als Marcus darauf nichts erwiderte, fuhr Isabel, den Blick auf
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