Sturm der Herzen
kann genauso zerstörerisch sein wie stichhaltige Beweise, und sobald die Gerüchte einmal in Umlauf geraten sind, werden sie Edmund sein Leben lang verfolgen. Die Frage ist, ob wir den Klatsch riskieren können, falls Whitley sich dafür entscheidet.«
Mit unglücklicher Miene sagte sie: »Und wenn wir warten, bis er beginnt, wird es zu spät sein, ihn zu töten.«
Marcus nickte. »Seine Ermordung würde dann den Gerüchten nur neue Nahrung geben. Daher lautet die Frage für uns: Wollen wir kaltblütig einen Mord planen, um etwas zu verhindern, was vielleicht nie geschehen wird, oder gehen wir das Risiko ein, dass er einfach verschwindet und wir nie wieder von ihm hören?«
»O nein! Vor eine so schreckliche Wahl gestellt zu sein!« Ihre Augen glitzerten. »Er ist ein grässlicher Mann, und ich würde ihm am liebsten den Hals umdrehen, dass er uns in diese Lage gebracht hat.«
»Daraus mache ich dir keinen Vorwurf«, erklärte Marcus. »Aber es beantwortet meine Frage nicht.«
»Das weiß ich«, antwortete sie knapp. »Ich würde alles für Edmund und Lord Manning tun, aber ich kann mich - heute Nacht wenigstens - nicht überwinden, seinen Tod zu planen.«
»Ich nehme an«, sagte Marcus nachdenklich, dem wieder einfiel, wie Julian vor ein paar Jahren Lord Tynedale getötet hatte, »ich könnte ihm ein Duell aufzwingen und ihn dabei umbringen.« Die Idee gefiel ihm immer besser. Man konnte zwar sagen, dass die Forderung zum Duell kaltblütig geplant war, aber das eigentliche Duell ließe Whitley eine Chance. Da er um sein Geschick im Umgang mit Degen und Pistole wusste, lächelte er leise. Auch wenn die Chance nicht groß war.
»Das wirst du schön lassen!«, rief Isabel aufgebracht, sie war wütend auf ihn, weil er auch nur mit dem Gedanken spielte, sich selbst in Gefahr zu bringen. Sie warf sich auf ihn, starrte ihm tief in die Augen und verlangte: »Versprich es mir. Versprich mir hier und jetzt, dass du kein Duell mit ihm austragen wirst.«
»Das kann ich nicht tun«, antwortete Marcus ruhig. »Er könnte mich so sehr provozieren, dass ich es nicht einfach ignorieren kann.«
Einen angespannten Moment sahen sie einander an. Isabel erkannte an seiner unnachgiebigen Miene, dass er sich nicht umstimmen lassen würde, und gab sich mit dem zufrieden, was sie erreichen konnte. »Dann versprich, dass du ihn nicht absichtlich provozieren wirst.«
Marcus zögerte, dann stimmte er widerstrebend zu. »Ich werde ihn nicht absichtlich reizen.«
Das war das Beste, worauf sie hoffen durfte, aber als sie schließlich einschlief, verfolgten sie Albträume, in denen Whitley mit einer rauchenden Pistole in der Hand über Marcus’ blutigem Leichnam stand.
Whitley wäre entzückt gewesen, wenn er gewusst hätte, dass er Isabels Schlaf störte und, wenn auch vielleicht weniger ausgeprägt, dass er Isabel und Marcus in ein Dilemma gebracht hatte. Natürlich hätte er selbst keinerlei solche Skrupel. Wenn es nach seinem Willen gegangen wäre, wäre Marcus in diesem Moment tot.
Es war ein echter Glücksfall gewesen, dass sich die Gelegenheit ergeben hatte, Marcus zu töten. Er hatte in der Nähe von Sherbrook Hall herumgelungert und darauf gewartet, dass er noch einen Versuch unternehmen konnte, in das Gebäude einzudringen, als er jemanden näher kommen hörte. Er hatte sich gerade erst hinter einen Busch gekauert, als Marcus und Isabel vorbeikamen. Dass sie diejenigen waren, die durch den Garten spazierten, hatte er sich schon gedacht, und der Mondschein ermöglichte es ihm, seinen Verdacht bestätigt zu bekommen. Heimlich war er den beiden Ahnungslosen gefolgt, und als er wieder daran dachte, was er durch sie erlitten hatte, wuchs sein Rachedurst so heftig, dass er, von der Wut übermannt, seine Pistole gezogen und geschossen hatte.
Es tat ihm jetzt leid, dass er gestern Nacht diesen riskanten Schuss auf Marcus abgegeben hatte. Aber nicht aus Gründen, die man vielleicht vermuten würde. Er bedauerte nur, dass er Marcus verfehlt hatte, denn nun war der sicher gewarnt.
Während Marcus und Isabel einen angenehmen Tag zusammen verbracht hatten, hatte Whitley in einer Ecke der Schankstube gesessen, einen Krug Ale nach dem anderen geleert und über die Ungerechtigkeit des Schicksals nachgegrübelt. Als es dunkel wurde, ging er von Ale zu Brandy über, und als es immer später wurde, wurden auch seine Überlegungen finsterer.
Die Sache lief nicht gut für ihn. Selbst dieser verfluchte Collard, der vor zwei Tagen von einer
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