Sturm der Herzen
Schmerz blinzelnd starrte Whitley ihn entsetzt an. »Sie sind Engländer .«
Der Mann lächelte. »Ich bin«, antwortete der Fremde, »was immer ich zu sein wünsche. Engländer, Franzose, Spanier.« Er zuckte die Achseln. »Was immer die Lage erfordert.«
Verwirrt und verunsichert versuchte Whitley zu begreifen. Dieser Mann konnte nicht von Charbonneau geschickt worden sein. Was bedeutete, dass seine geschickt formulierte Botschaft an seinen alten Bekannten in Frankreich in die falschen Hände geraten sein musste, und das konnte nur geschehen, wenn … Angst machte sich in ihm breit. »Collard hat mich verraten«, stellte er ausdruckslos fest.
Der Gentleman nickte. »Collard und ich haben uns gegenseitig gute Dienste geleistet in den vergangenen Jahren«, erklärte er. »Als wir uns bei seiner letzten Fahrt nach Cherbourg begegnet sind, erwähnte er Sie und sagte, Sie planten etwas, das mich interessieren könnte. Für eine großzügige Summe hat er mir Ihren Brief an Charbonneau ausgehändigt.«
Whitley war sehr vorsichtig gewesen bei dem, was er Charbonneau geschrieben hatte, aus Sorge, was geschehen könnte, falls sein Brief an den Falschen geriet. Oberflächlich betrachtet war seine Nachricht einfach ein Brief von einem alten Freund an einen anderen gewesen. Glücklicherweise hatte er nichts Genaues zu Papier gebracht, aber er hatte Andeutungen gemacht auf vorherige, für beide nützliche Treffen, die man nur als Verweise auf gute Zeiten deuten konnte, die aber eine weitergehende Interpretation offen ließen und auf ein baldiges, erneutes Treffen mit Charbonneau anspielten.
Zuversicht erfasste ihn wieder. Dieser Kerl hatte vielleicht die Nachricht an Charbonneau gelesen, doch er hatte nichts eindeutig Belastendes in der Hand.
»Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz«, sagte Whitley. »Was könnte mein Brief mit Ihnen zu tun haben? Ich kenne Charbonneau seit Jahren. Wir haben uns oft geschrieben.«
»Über die Vermittlung von Schmugglern?«
Whitley wurde rot. »Frankreich und Britannien befinden sich im Krieg. Die normalen Postwege stehen mir augenblicklich nicht offen.«
Die Worte hatten kaum Whitleys Mund verlassen, als sein Peiniger erneut zutrat, diesmal fester.
Während Whitley sich am Boden krümmte und dabei vor Schmerz schrie, beugte sich der andere über ihn und sagte ihm leise ins Ohr: »Verschwenden Sie nicht meine Zeit. Sagen Sie mir, was so wichtig daran ist, dass Sie einen oberflächlich unverdächtigen Brief an einen Mann geschickt haben, der zum Kreis von Napoleons engsten Vertrauten gehört. Und erklären Sie bitte nicht, es sei nur ein Brief an einen alten Freund.«
»Gehen Sie zur Hölle!«, spie Whitley aus und rutschte dabei so schnell und so weit wie möglich von dem anderen weg.
»Das werde ich zweifellos tun«, stellte der Mann fest und folgte Whitley, diesmal trat er ihn in die Rippen, dann fügte er hinzu: »Aber wenn Sie meine Fragen nicht bald beantworten, dann, das versichere ich Ihnen, werden Sie vor mir dort sein.«
Whitley spürte eine Rippe brechen und einen bohrenden Schmerz in seiner Seite. Atemlos schnappte er nach Luft, und ihm wurde allmählich ernsthaft bange. Er riskierte einen Blick zu dem anderen; das kalte Glitzern in dessen dunkelblauen Augen erfüllte ihn mit Furcht, aber seine Habgier war stärker als seine Angst. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, rief er. »Ich schwöre, ich habe bloß einem alten Freund geschrieben.«
»Gut, wie Sie wollen«, erwiderte der Fremde und verbrachte die nächsten Minuten damit, Whitley weiter übel zuzurichten. Als er schließlich aufhörte, lag Whitley reglos mit dem Rücken zu ihm, und nur ein leises Wimmern ab und zu verriet, dass er noch am Leben war.
»Sagen Sie mir, was ich wissen will«, verlangte der Mann in demselben ruhigen Ton, den er zuvor benutzt hatte. Whitley winselte und krümmte sich erneut. Der Fremde seufzte.
Er zog seinen Rock aus, legte ihn ordentlich auf einen Felsblock und zog ein langes Messer aus seinem Stiefelschaft. Er drehte Whitley herum, sodass er ihn ansah. Dann ging er neben ihm in die Hocke und fragte ruhig: »Wollen Sie wirklich sterben? Ist das, was Sie haben, Ihr Leben wert? Wäre es nicht besser, es einfach herauszurücken und am Leben zu bleiben?«
Durch seine geschwollenen Lippen gelang es Whitley zu sagen: »Warum sollte ich? Sie werden mich ohnehin töten.«
»Nicht, wenn mir gefällt, was Sie mir verraten.«
Der Mann zeigte Whitley das Messer mit der schlanken Klinge, das
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