Sturm der Herzen
gegangen, habe aber fest vorgehabt, wieder zurückzukehren. Keating wird langsam unruhig, und daraus mache ich ihm keinen Vorwurf. Whitley hatte keinen Grund, einfach so zu verschwinden, und wenn er vorhatte, die Gegend zu verlassen, warum hat er dann nicht einfach seine Sachen gepackt, die Zeche beglichen und ist auf sein Pferd gestiegen und weggeritten? Sein Verschwinden ergibt keinen Sinn.«
»Es sei denn, es ist ihm gelungen, Kontakt aufzunehmen mit jemandem, der daran Interesse hat, ihm das Memorandum abzukaufen«, stellte Marcus grimmig fest. »Es ist gut möglich, dass die Franzosen inzwischen im Besitz des Memorandums sind und dass Whitley irgendwo auf dem Grund des Ärmelkanals den Fischen als Futter dient.«
Garrett nickte. »Daran hatte ich auch schon gedacht.« Er legte seine Stirn in Falten. »Bis auf die Rückkehr des Pferdes, das stört mich immer noch. Warum sollte das jemand tun? Warum das Tier nicht einfach laufen lassen? Oder es stehlen. Soweit ich mich entsinne, ist es ein schönes Tier; jeder Pferdedieb wäre nur zu glücklich, es in seine Finger zu bekommen.«
»Vermutlich weil wir es nicht mit einem Pferdedieb zu tun haben. Und ich kann mir einen guten Grund denken, weshalb das Tier nicht einfach laufen gelassen werden kann. Wer immer dahintersteckt, wollte nicht, dass es in der Gegend der Stelle gefunden wird, wo man sich vielleicht Whitleys entledigt hat.«
»Du denkst, Whitley ist tot, nicht wahr?«
»Du nicht? Ich kann mir nicht vorstellen, weshalb er sonst auf so geheimnisvolle Weise verschwinden und all seinen Besitz zurücklassen sollte. Und da das Pferd zurückgebracht wurde, wissen wir, dass jemand anderer mit darinsteckt, ich möchte wetten, dass es nicht Whitley war, der das Tier in den Stall gebracht hat.«
»Denkst du dann, er ist Mittwochnacht gegangen, um sich mit dem Kaufinteressenten zu treffen, der ihm das Papier abgenommen und ihn umgebracht hat?«
Marcus nickte. »Ganz genau so ist es meiner Meinung nach gelaufen.«
Missvergnügt schauten sie einander an. »Also ist das Memorandum vermutlich in die Hände der Franzosen gelangt«, stellte Garrett bitter fest.
Marcus zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich. Aber bis wir herausgefunden haben, was mit Whitley geschehen ist, wissen wir das nicht sicher.« Marcus stand auf und durchquerte den Raum. Er schaute zu Garrett, sagte am Ende: »Wir müssen es Jack und Roxbury mitteilen.«
»Das habe ich bereits veranlasst. Ich habe vorhin Jack einen Brief geschrieben.«
»Bis wir von Jack oder Roxbury hören, sind uns die Hände gebunden«, erklärte Marcus. Er blieb vor einem der hohen Fenster stehen, die das Zimmer mit Tageslicht versorgten, und starrte blicklos auf die ausgedehnten Gärten vor sich. »Es ist möglich, dass Whitleys Verschwinden nichts mit dem Memorandum zu tun hat«, sagte er langsam und, bedächtig eine Weile später.
Überraschte fragte Garrett: »Was meinst du?«
Marcus kam zurück und setzte sich wieder hin. »Einer der Gründe, weshalb wir Whitley nie direkt angegangen sind, war doch, dass wir keinen hieb- und stichfesten Beweis dafür hatten, dass er überhaupt im Besitz des Memorandums war. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass ein echter Spion, jemand wie dieser Le Renard, den Jack erwähnt hat, im Besitz des Schriftstückes ist. Wir hatten ausreichend Verdachtsmomente, und die Umstände hätten Whitley in die Lage versetzt, das Memorandum an sich zu nehmen, aber mehr als einen Verdacht und Indizien hatten wir nie.«
»Und«, warf Garrett mit gerunzelter Stirn ein, »seine Habseligkeiten wurden sowohl von dir als auch von Jack durchsucht, aber keiner von euch hat etwas Belastendes finden können.«
»Was aber nicht beweist, dass Whitley unschuldig ist, nur weil wir das Memorandum nicht bei ihm finden konnten.« Marcus seufzte. »Ich wünschte, ich wäre meinem ersten Impuls gefolgt und hätte die Wahrheit aus dem Kerl herausgeprügelt.«
Garrett lachte humorlos. »Du auch? Der Gedanke kam mir ein- oder zweimal selbst.«
Sie lächelten beide spöttisch.
»Ich wiederhole: Wir wissen immer noch nicht, ob Whitley das Memorandum in seinem Besitz hatte und ob sein Verschwinden damit zusammenhängt.« Schweigen legte sich über den Raum, während die beiden Männer nachdachten.
»Denkst du, wir haben einem Phantom nachgejagt?«, fragte Garrett schließlich.
Marcus verzog das Gesicht. »Es ist möglich. Bedenkt man, was für ein Mensch er ist oder war, dann gibt es zweifellos eine Reihe von Leuten, die
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