Sturm der Herzen
keine Träne vergießen würden, wenn er stürbe oder verschwände.« Ich zum Beispiel , fügte Marcus im Geiste hinzu. Ohne Frage war Isabel nicht die Einzige, die Whitley zu erpressen versucht hatte, und sie wäre auch nicht die Letzte gewesen. War es dann möglich, dass jemand aus Whitleys Vergangenheit ihn umgebracht hatte? Marcus gefiel die Vorstellung, aber sie schien ihm nicht völlig überzeugend. Die Wahrscheinlichkeit, dass Whitley im Besitz des Memorandums über Wellesleys geplante Invasion in Portugal war, war trotz allem zu hoch, um sie einfach abzutun.
Beunruhigt starrte Marcus auf die Spitzen seiner schimmernden Stiefel. »Wenn Whitley das Memorandum hatte, wo hätte er es dann aufbewahrt? Wie du bereits erwähnt hast, sind wir seine Sachen Stück für Stück durchgegangen und konnten es nicht finden. Falls er sich in der Nacht seines Verschwindens mit einem Interessenten für das Memorandum treffen wollte, hätte er es dann nicht bei sich gehabt? Und wenn er das getan hat, wo hatte er es versteckt, sodass keiner von uns es gefunden hat?«
»Du glaubst nicht, dass er es in London gelassen hat?«
Marcus schüttelte entschieden den Kopf. »Nein. Wenn er es hatte, dann hat er es mit hergebracht. Außerdem, hätte er es in London irgendwo versteckt, hätte er es holen müssen, wenn er vorhatte, einen möglichen Käufer zu treffen - und wir wissen, dass er die Gegend nicht verlassen hat.«
»Vielleicht hat er es einfach irgendwo vergraben«, schlug Garrett entmutigt vor. »Oder trug es am Körper.«
Darüber dachte Marcus nach. Whitley hatte den Anhänger bei sich gehabt, aber wenn er an die Nacht zurückdachte, als er ihm die Kleider vom Leib geschnitten und seine Stiefel in den Goldfischteich geworfen hatte, konnte das nicht sein. Er schüttelte erneut den Kopf. »Das bezweifle ich.«
Garrett stand auf und erklärte: »Ich werde dich nicht länger aufhalten. Es scheint, als sollten wir einfach Jacks Rückkehr abwarten und was auch immer sich inzwischen ergibt.«
Lange nachdem Garrett gegangen war, saß Marcus in seinem Stuhl, schaute blindlings vor sich hin. Wenn er nur seine eigenen Wünsche bedachte, wäre es nicht verkehrt, wenn Whitley tatsächlich tot wäre. Edmund wäre vor ihm sicher, und er und Isabel könnten endlich die Vergangenheit hinter sich lassen. Aber wenn Whitleys Tod mit diesem schwer zu fassenden Memorandum zusammenhing …
Es war noch genug Zeit, räumte er ein, das Datum und den Ort der Invasion durch Wellesley zu ändern, aber wenn Portugal ausschied, reduzierte das für die Franzosen die Zahl der in Frage kommenden Orte für eine britische Landung. Dieses Wissen allein konnte die Briten das Überraschungsmoment kosten und damit auch das Leben zahlreicher guter Engländer.
Isabel fand ihn eine Weile später; als sie seine besorgte Miene bemerkte, schloss sie die Tür hinter sich und kam rasch zu ihm. »Was ist?«, fragte sie, hockte sich neben seinen Stuhl und legte ihm eine Hand aufs Knie.
Er sah sie an, und ihm wurde allein von ihrem Anblick ganz leicht ums Herz. Whitley und die Schwierigkeiten, die er machte, verblassten zur Bedeutungslosigkeit. Er saß einfach da, freute sich an ihrer Nähe und lächelte stumm.
Ungeduldig schüttelte Isabel sein Knie. »Was ist los? Und hör auf, mich so dümmlich anzustarren.«
Da musste er lachen und zog sie auf seinen Schoß. Allerdings verging ihm das Lachen, als er darüber nachdachte, was er ihr mitzuteilen hatte. Von dem Memorandum? Nein. Whitleys Verschwinden? Ja. Das würde sie ohnehin früh genug erfahren.
»Garrett war da«, antwortete er langsam. »Offenbar ist unser Freund Whitley spurlos verschwunden.«
Mit gerunzelter Stirn drehte sie sich zu ihm um und sah ihm ins Gesicht. »Was meinst du damit, verschwunden?«
Marcus berichtete rasch, was Garrett erzählt hatte. Die Nachricht, dass ihre Nemesis wie vom Erdboden verschluckt war, schien ihr nicht zu gefallen.
Sie setzte sich auf und erklärte fest: »Das glaube ich nicht. Whitley ist eine Schlange, obwohl ich mir eine Million Mal gewünscht habe, dass er sich davonschlängelt und wieder unter dem Stein verschwindet, unter dem er hervorgekrochen ist, kann ich nicht glauben, dass er das einfach tut.«
»Dann glaubst du nicht, dass jemand aus seiner Vergangenheit aufgetaucht sein könnte, um ihn zu töten?«, fragte Marcus mit einer hochgezogenen Braue. »Wenn du dich erinnern willst, wir haben selbst mit dem Gedanken gespielt, ihn zu beseitigen.«
Sie begann den
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