Sturm der Herzen
mit welchen Mitteln auch immer.«
»Prügel«, erklärte Marcus kühl.
Jack schaute ihn an. »Ja. Die Zeit für Raffinesse ist vorbei. Wir haben Zeit verschwendet - eine Woche? Zehn Tage? Mehr?« Sein fein gezeichneter Mund wurde schmal. »Verdammt! Warum, zum Teufel, musste er ausgerechnet jetzt verschwinden?«
»Es ist doch mittlerweile egal, warum er unauffindbar ist«, sagte Marcus. »Was jetzt noch zählt, ist, was wir unternehmen können.«
»Da stimme ich dir zu«, erwiderte Jack. »Und da er nun einmal verschwunden ist, müssen wir davon ausgehen, dass die Franzosen das Memorandum haben und entsprechend handeln. Ich werde so rasch wie möglich wieder nach London reiten und Roxbury berichten, dass Whitley unter mysteriösen Umständen verschwunden ist.«
»Nein«, widersprach Garrett entschieden. »Du bist ja halbtot vor Erschöpfung. Am Ende fällst du schon nach wenigen Meilen vom Pferd. Nein, ich gehe an deiner Stelle. Solange Roxbury nur von der aktuellen Entwicklung erfährt, ist es gleich, wer die Nachricht überbringt.«
Jack sah aus, als wollte er widersprechen, aber Marcus stellte ruhig fest: »Jack, er hat recht, und du weißt das auch. Lass ihn gehen.«
Jack seufzte. »Nun gut.«
Sie unterhielten sich noch eine Weile über dies und das, dann erhoben sie sich und schüttelten einander die Hände, bevor Jack und Garrett aufbrachen. Marcus machte sich auf die Suche nach seiner Frau. Er fand sie oben in ihrem Salon, der an das Schlafzimmer grenzte.
Isabel schaute fragend von der Modezeitschrift auf, die sie durchgeblättert hatte.
Marcus lächelte trocken. Was sollte er tun? Sie wollte sicher wissen, was vor sich ging, aber er hatte keine passenden Antworten.
Isabel beobachtete ihn, und ihre Augen wurden schmal. »Du willst mir nicht verraten, worüber ihr eben gesprochen habt, nicht wahr?«
Er setzte sich neben sie auf das Sofa und gestand: »Nicht alles. Ich werde dir aber sagen, dass Jack und Garrett auch keine Erklärung für Whitleys Verschwinden haben.«
»Warum interessiert sie das?«, erkundigte sie sich vernünftig.
Marcus wusste noch von früher, dass, wenn er ihr nicht etwas gab, das sie zufriedenstellte, sie ihn weiter plagen würde, ihm Fragen stellen, die er ihr nicht beantworten konnte. Er dachte einen Augenblick nach, dann fragte er: »Erinnerst du dich noch daran, dass du mir nicht sagen konntest, was Whitley gegen dich in der Hand hatte?«
Sie nickte.
»Nun, im Moment befinde ich mich in einer vergleichbaren Lage. Wenn ich es dir verraten könnte, würde ich es tun, aber für den Moment wenigstens kann ich das nicht.«
Isabel wollte Einspruch erheben, aber obwohl die Neugier an ihr nagte, musste sie doch zugeben, dass er recht hatte. Fair war fair. Er hatte sie nicht bedrängt, als sie sich geweigert hatte, ihm ihr Geheimnis anzuvertrauen; und nun konnte sie schwerlich wütend auf ihn werden, wenn er selbst eines hatte. Sie war versucht, ein bisschen zu stochern, aber sein Gesichtsausdruck verriet ihr, dass es nichts nützen würde. Sie seufzte; sie war nicht glücklich damit, sie fragte fast kleinlaut: »Wirst du es mir irgendwann sagen?«
Er lächelte, und seine grauen Augen leuchteten warm und zärtlich. »Sobald es mir möglich ist.«
Damit musste sie sich fürs Erste zufriedengeben.
Während Isabel damit also zufrieden sein musste, war der Fremde, der den Tag zwischen Bäumen versteckt verbracht hatte, weit ab vom Haus und den Gärten, das ganz und gar nicht. Er hatte beim Morgengrauen seinen Beobachtungsposten hoch oben in einer der alten Eichen bezogen und hatte von Tagesanbruch an die Nebengebäude und das beeindruckende Herrenhaus observiert. Durch sein Fernglas hatte er das Kommen und Gehen der Dienstboten beobachtet, Isabel und Marcus bei ihrem morgendlichen Spaziergang. Er hatte auch Garretts Besuch am Nachmittag mitbekommen, hatte ihn wieder wegreiten sehen und ihm nachdenklich hinterhergesehen. Garrett konnte ein Problem werden.
Als die Dunkelheit anbrach, stieg er wieder vom Baum und ging dorthin, wo sein Pferd mit Futter und Wasser in Reichweite angebunden stand. Geistesabwesend saß er auf und ritt davon.
Seine Beobachtungen von heute bestätigten nur, was er vermutet hatte: Sherbrook war zu groß, als dass seine Aufgabe leicht gewesen wäre. Und die Zeit wurde allmählich knapp. Er musste zuschlagen, und das schnell, wenn er noch etwas retten wollte. Unseligerweise gab es offensichtlich nur einen Weg, um das Nötige so rasch wie möglich zu
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