Sturm der Herzen
nicht so tun, als sei ihre Verlobung auf gewöhnlichem Wege zustande gekommen.
Die Ehe selbst, musste sie niedergeschlagen einräumen, war nicht geschlossen worden, weil Marcus sie wirklich hatte heiraten wollen, sondern wegen einer schwierigen Verkettung von Umständen. Sie lächelte schwach. Sein angeborenes Verlangen, sie zu schützen, hatte zu der unüberlegten Bemerkung Whitley gegenüber geführt, dass sie verlobt seien, und sie könnte wetten, dass es ihm nie in den Sinn gekommen war, dass er sie wirklich heiraten müsste. Wenn sie sich an den Ausdruck auf seinem Gesicht erinnerte, an dem Abend auf Manning Court, als er erkannt hatte, dass es keinen Ausweg aus der Verlobung gab, senkten sich ihre Mundwinkel. Zwar hatte er nicht wirklich verzweifelt ausgesehen, aber er hatte auch keinen Freudentanz aufgeführt. Verloren erinnerte sie sich daran, dass die Hochzeit selbst nicht ihre Schuld gewesen war: Der schlechte Gesundheitszustand des Barons ließ ihnen keine andere Wahl. Marcus musste sie in dieser Situation heiraten, aber, dachte sie etwas erleichterter, er hatte keine Sekunde gezögert.
Sie runzelte die Stirn. War es nur sein ausgeprägtes Ehrgefühl oder seine Zuneigung für Lord Manning gewesen, die sein Handeln bestimmt hatten? Oder gar viel praktischere Erwägungen: der Wunsch nach einem Sohn und Erben, der den Namen Sherbrook fortführen würde? Bei dem Gedanken musste sie lächeln. Marcus war niemand, der sich Gedanken darum machte, was aus seinem Besitz und seinem Vermögen werden würde, wenn er einmal nicht mehr war. Daher verwarf sie die Idee gleich wieder, dass die Notwendigkeit, einen Erben zu haben, hinter seinem Gleichmut stand, mit dem er sich mit ihrer Verlobung und anschließenden Hochzeit abgefunden hatte.
Isabel war so in ihre Gedanken versunken, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie weit sie auf ihrem Weg schon gekommen war, sodass sie, als die Stute plötzlich stehen blieb, aufschaute und erstaunt feststellte, dass sie sich vor der Eingangstreppe von Manning Court befand. Ein Stallbursche kam herbeigelaufen, um ihr Pferd zu halten, die Eingangstür des Herrenhauses öffnete sich, und Deering kam mit einem breiten Lächeln auf seinem Gesicht zu ihr, um sie zu begrüßen.
»Oh, Madam, es tut so gut, Sie zu sehen«, erklärte er. »Seine Lordschaft und Lady Manning werden hocherfreut sein, dass Sie zu Besuch kommen.«
Isabel schwang sich behände aus dem Sattel, übergab die Zügel dem Stalljungen und lief die Stufen zu dem Butler hoch. Während sie zum Haus gingen, fragte sie: »Ich weiß, es ist erst ein paar Tage her, dass ich ihn selbst gesehen habe, aber wie geht es ihm?«
»Ausgezeichnet!« Deering warf ihr einen Blick von der Seite zu. »Und verzeihen Sie mir meine Kühnheit, wenn ich sage, dass die Ehe Ihnen ebenfalls bestens zu bekommen scheint.«
Isabel lachte. »O ja, Deering, das tut sie.«
Sie fand Lord und Lady Manning auf einem kleinen gepflasterten Hof auf der Rückseite des Hauses. Rosen und Pfingstrosen blühten in voller Pracht am Rand, hie und da spendete eine schlanke Weide Schatten. Unter einer solchen Weide saß das frischgebackene Ehepaar auf schmiedeeisernen Stühlen mit weichen Polstern in Gold und Grün. Mehrere andere Stühle standen in der Nähe, und seitlich war ein runder Eisentisch aufgestellt, auf dem sich die Reste eines Imbisses befanden.
Lord Manning lächelte strahlend, als er Isabel erblickte, er stand auf und kam ihr entgegen. Er fasste sie an den Schultern, schaute ihr ins Gesicht und erklärte: »Nun, wenn das aber keine erfreuliche Überraschung ist. Clara und ich haben gerade über dich und Marcus gesprochen und uns gefragt, wie es euch beiden wohl ergeht.«
Isabel stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte einen Kuss auf seine Wange, sie erwiderte: »Wie man sehen kann, geht es mir wunderbar.« Sie betrachtete ihn forschend, freute sich, dass sein Blick klar und scharf war und seine Gesichtsfarbe gut aussah. Am besten aber war, dass er ohne größere Anstrengung aufgestanden war, um sie zu begrüßen, und das bannte ihre leise Sorge, dass seine Krankheit ihn auf Dauer geschwächt oder gar pflegebedürftig gemacht hatte. Allerdings war er nicht völlig ungeschoren davongekommen; als sie zu Clara gingen, bemerkte sie das leichte Zögern in seinem Schritt, ihr war auch aufgefallen, als er sie an den Schultern gefasst hatte, dass sein linker Arm schwächer zu sein schien, als es ihr lieb war. Aber insgesamt schien seine Genesung
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