Sturm der Herzen
wir haben uns große Mühe gegeben; wir schätzen es gar nicht, im Zentrum von Tratsch und Klatsch zu stehen. Ich bin sicher, du verstehst das besonders gut.«
Der Grund, den sie angegeben hatte, glich bemerkenswert dem, den Agatha genannt hatte, als ihre plötzliche Hochzeit mit Sir James vor fünfzehn Jahren für Aufsehen in der Gegend gesorgt hatte. Von einem Aufeinanderpressen ihrer Lippen einmal abgesehen, ließ sich Agatha durch nichts anmerken, dass die Spitze ihr Ziel gefunden hatte.
Clara Appleton, die um die angespannte Beziehung zwischen den beiden Frauen wusste, schaltete sich rasch ein und sagte unbeschwert: »Ach, ich halte das ja für so romantisch!« Sie sandte Marcus einen herzlichen Blick. »Ihre Mutter wird entzückt sein, wenn sie von der Verlobung erfährt, da bin ich ganz sicher. Sie hat unzählige Male gesagt, wie glücklich sie wäre, wenn Sie heirateten und eine Familie gründeten.«
Marcus lächelte ihr zu. »Und natürlich wissen wir alle, dass es mein Lebenszweck ist, meiner Mutter zuliebe etwas zu tun.«
»Ach, machen Sie sich nicht über mich lustig«, erwiderte Clara und drohte ihm spielerisch mit dem Finger. »Ihre Mutter hat mir oft genug erzählt, was für ein wunderbarer Sohn Sie sind.«
»Es ist zweifellos eine ausgezeichnete Verbindung«, stellte Sir James fest und bemühte sich nicht, seine Freude zu verbergen. Er war schon weit in den Siebzigern, und mit seinen fröhlichen blauen Augen, den roten Wangen und dem dünnen weißen Haarkranz um seine Glatze erinnerte er Isabel an einen kleinen Engel. Sie waren ein seltsames Paar: Sir James klein und rundlich, Agatha dünn und fast einen Kopf größer als ihr Gatte. Für Isabel sah es so aus, als ragte Agatha über ihm auf wie ein schwarzer, staksiger Storch neben einem runden, kleinen Rebhuhn.
Sir James hob sein Glas und rief: »Lasst uns noch einmal auf das Wohl des jungen Paares trinken. Mögt ihr beide ein langes und glückliches Leben miteinander führen.« Er lächelte Isabel voller Wärme an. »Ach, meine Liebe, dein Vater wäre über diese Entwicklung begeistert. Also lasst uns alle anstoßen: auf Isabel und Marcus - ein langes Leben und Glück!«
»Darauf trinke ich«, sagte Lord Manning mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Isabel schien es jetzt, da sie darüber nachdachte, fast so, als hätten ihr Schwiegervater und Edmund, seit sie die Neuigkeit gehört hatten, nicht mehr aufgehört zu lächeln. Sie hatte nie vorgehabt, erneut zu heiraten, aber jetzt, da das Schicksal sich gegen sie verschworen zu haben schien, war sie froh, dass ihre bevorstehende Eheschließung die beiden Menschen, die sie liebte, so freute.
Nachdem die Gläser pflichtschuldigst geleert worden waren, stellte Lord Manning sein Glas ab und fragte: »Wann soll die Hochzeit stattfinden? Ich nehme doch an, irgendwann diesen Sommer, oder?«
»Ja«, bestätigte Marcus.
»Nein«, rief Isabel gleichzeitig.
Plötzlich waren aller Augen misstrauisch auf sie gerichtet, und Isabel wurde rot, hastig erklärte sie: »Wir, äh, haben das noch nicht entschieden.« Sie warf Marcus einen warnenden Blick zu und erklärte: »Wir haben beschlossen, das morgen zu besprechen, nicht wahr?«
Marcus grinste. »Allerdings, das tun wir.«
Der Rest des Abends verlief ohne Zwischenfälle, aber Marcus und Isabel hatten keine ungestörte Minute miteinander, bis er sich anschickte heimzureiten. Die anderen Gäste waren eben erst aufgebrochen, Edmund war längst im Bett, und Lord Manning hatte mit einem Winken allen eine gute Nacht gewünscht und war diskret die Treppe nach oben entschwunden.
Da Marcus’ Pferd immer noch an die Linde im Garten gebunden war und er Isabels Angebot ausgeschlagen hatte, es von einem Diener holen zu lassen, begleitete sie ihn zu dem Baum. Während sie nebeneinander durch die stille Nacht gingen, der schwarze Himmel sich über ihnen gesprenkelt mit glitzernden Diamanten wölbte, sagte Marcus: »Es ging ziemlich gut, nicht wahr? Der einzig unangenehme Moment war, als dein Schwiegervater uns nach dem Hochzeitstermin gefragt hat.« Er blieb stehen und sah sie an. »Also, wann sollen wir es tun?«
»Vielleicht irgendwann nächsten Sommer?«, schlug sie vor.
Marcus starrte sie ungläubig an. »Nächsten Sommer?«, fragte er. »Ganz bestimmt nicht!«
Nachdem er heute Morgen noch erwacht war, ohne auch nur im Entferntesten daran zu denken, irgendwen zu heiraten, stellte er verwundert fest, wie wenig ihm die Vorstellung einer langen Verlobung
Weitere Kostenlose Bücher