Sturm der Herzen
erst eine Hürde, die sie nehmen mussten, überlegte sie müde. Wenn sie an ihre Ehe mit Hugh dachte und das Versprechen, das sie ihm gegeben hatte, als er im Sterben lag, drohte Panik sie zu überwältigen. Die andere Hürde war vielleicht nicht so leicht zu nehmen.
Aber jetzt wollte sie sich nicht den Kopf über die Zukunft zerbrechen und das, was sie für sie bereithielt; sie schaute Marcus an und zwang sich zu einem Lächeln, erklärte leichthin: »Ich hoffe, dass du daraus lernst, wie wichtig es ist, erst nachzudenken und dann zu sprechen.«
Ein aufrichtiges Lachen entrang sich ihm. »Da kannst du dir sicher sein.« Er hob ihre Hand, senkte den Kopf und hauchte einen zärtlichen Kuss auf ihren Handrücken. Er hielt ihre Finger in seinen und schaute sie suchend an. »Das hier ist nicht, was wir geplant haben, aber ich denke, wir können gut miteinander auskommen, wir beide.«
Sie wollte ihm glauben, aber innerlich drohte sie zu verzagen. Nein, eine Ehe hatte keiner von ihnen geplant, und ihrer beider Ehe, überlegte sie unglücklich weiter, wäre wesentlich weniger, als er zum jetzigen Zeitpunkt ahnte.
Das Dinner verlief in angenehmer Atmosphäre, wenn auch nicht völlig ungezwungen. Außer Mrs Appleton, die in einem schillernden Seidenkleid in zarten Blautönen prächtig aussah, waren Isabels Onkel und Tante, Sir James und Lady Agatha eingeladen worden. Edmund, der in seinem dunkelblauen Rock und der ordentlich gebundenen Krawatte sehr erwachsen wirkte, war zu diesem besonderen Anlass erlaubt worden, mit den Erwachsenen zu speisen. Isabel hatte ihn lediglich gewarnt, dass er sich mit Limonade statt Champagner begnügen müsse, den alle anderen trinken würden. Er schnitt eine Grimasse, aber dann grinste er. »Ich wette, Mr Sherbrook würde mich Champagner trinken lassen.«
Seine Mutter lächelte nur, und ihr Herz schmerzte ein wenig, als ihr einmal mehr auffiel, wie sehr er doch in diesem Augenblick seinem Vater ähnelte. »Vielleicht«, stimmte sie zu und streichelte ihm die Wange. »Aber noch ist er nicht dein Stiefvater. Bis dahin lege ich die Regeln fest.«
Mit seinem gewohnt sonnigen Wesen fand sich Edmund mit ihrer Entscheidung ab und bemühte sich den Rest des Abends um allerbestes Benehmen.
Natürlich waren alle erstaunt über die Nachricht von der Verlobung, und während des Essens zwischen mehrmaligem Anstoßen auf das Paar, guten Wünschen für Gesundheit und ihre gemeinsame Zukunft, waren immer wieder Äußerungen des Erstaunens von den anderen Gästen zu hören.
»Ach, was seid ihr beide nur für Geheimniskrämer«, erklärte Lady Agatha, deren dunkle Augen unangenehm und fast ein bisschen boshaft blitzten, als sie Isabel ansah. »Sich nichts anmerken lassen und für alle Welt so tun, als ob ihr einander nicht ausstehen könntet, das war sehr gewitzt. Da kann ja keiner auf die Idee kommen, dass eine Verlobung in der Luft liegt.«
Sogar in ihrer Jugend hatte Agatha Paley eher als gut aussehend denn als hübsch gegolten. Sie war dünn und groß, hatte schwarzes Haar und fast männlich strenge Züge, ihre Nase war lang, ihr Kinn stand vor und ihre Augen lagen tief unter sehr dunklen Brauen. Sie ging auf die fünfzig zu, aber auch das Alter hatte ihre Züge nicht weicher werden lassen. Isabels Meinung nach war Agatha immer schon eine kalte, gefühllose Frau gewesen, ihre Ehe mit Sir James hatte nichts daran geändert. Die Abneigung zwischen den beiden Frauen hatte eine lange Geschichte: Vor ihrer Heirat mit Sir James war Agatha Isabels Gouvernante gewesen, und der Wunsch, Agathas strengem Regiment zu entkommen, war teilweise für die überstürzte Heirat Isabels mit Hugh Manning verantwortlich.
Als sie als Hughs Witwe nach England zurückgekommen war und mit ihrem Sohn ihren Platz im Haushalt Lord Mannings eingenommen hatte, hatte sie das auch davor bewahrt, wieder unter Agatha leben zu müssen. Damit war ein ansonsten unausweichlicher offener Konflikt zwischen den beiden Frauen vermieden worden. In der Zwischenzeit hatte Isabel sich große Mühe gegeben, sich mit der anderen zu versöhnen, damit Edmund seinen Großonkel und das Haus kennen lernen konnte, in dem seine Mutter aufgewachsen war. Agatha und Isabel würden sich nie sonderlich mögen, aber es war ihnen gelungen, höflich miteinander umzugehen; dann und wann aber zeigte Agatha doch ihre Klauen, und Isabel konnte es sich nicht verkneifen, auf die gleiche Weise zu antworten.
Sie zwang sich zu einem Lächeln und erwiderte ruhig: »Ja,
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