Sturm der Herzen
Verlobung freuen würde, so sehr würde die Nachricht von deren Auflösung sie am Boden zerstören. Und was wäre mit seinen anderen Verwandten, die in das Netz hineingezogen wurden? Mit seinen Cousins Julian und Charles? Wie würden sie empfinden? Er war überzeugt, dass sie sich für ihn freuen würden, weil er eine Ehe eingehen wollte, aber was, wenn sie erfuhren, dass die Verlobung zu Ende war? Was wäre mit Nell, Julians Frau? Daphne, Charles’ Angetrauter? Mit seinen Tanten und den anderen Mitgliedern seiner in alle Himmelsrichtungen verstreuten Familie, seinen Freunden? Sie würden ihn alle beglückwünschen, dass er endlich heiraten wollte, aber wie würden sie reagieren, wenn die Verlobung aufgelöst wurde?
Marcus zweifelte nicht, dass manche es einfach hinnehmen und mit einem Achselzucken abtun würden, aber andere, überlegte er, wie Mutter, wären niedergeschmettert oder wenigstens betrübt, wenn sie davon erfuhren. Nell würde die Auflösung der Verlobung besonders betrauern und versuchen, ihn zu trösten, und er wusste, dass Charles und Julian ihm stumm ihre Unterstützung anbieten würden, aber auch enttäuscht wären. Seine Mutter würde am meisten darunter leiden. Er schluckte schwer. Sein Gesicht fühlte sich heiß an, seine Brust eng. Gütiger Himmel! Wie konnte er ihnen das antun? Erwartungen in ihnen wecken, obwohl er genau wusste, dass es eine Lüge war und eine Hochzeit außer Frage stand. In dem Augenblick schnappte die Falle zu, die er sich selbst gestellt hatte.
Er starrte Isabel an, und die Erkenntnis, dass es kein Entkommen geben würde, keine Auflösung der Verlobung, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Mit einer Stimme, in der kein Gefühl mitschwang, sagte er: »Es würde meine Mutter sehr, sehr unglücklich machen, wenn die Verlobung einfach aufgelöst würde. Sie wäre am Boden zerstört.« Sein Blick fiel auf den Ring an ihrem Finger. »Viele Leute«, räumte er widerstrebend ein, »besonders die, die uns am Herzen liegen, werden verletzt und enttäuscht sein, wenn wir nicht heiraten.« Ein Schauer durchlief ihn; leise fügte er hinzu: »Nenn mich einen Feigling, wenn du magst, aber vor die Wahl gestellt, würde ich lieber einem feuerspeienden Drachen gegenübertreten, als meiner Mutter zu sagen, dass wir doch nicht zueinanderpassen und unsere Meinung geändert haben.«
Isabel lächelte bitter. »Genau.«
Marcus’ graue Augen strahlten auf. »Ich nehme an, das ist es, worüber du mit mir reden wolltest.«
Isabel nickte. »Ich dachte«, sagte sie leise, »dass wir am Ende die ganze Sache einfach abbrechen könnten, ohne dass etwas Schlimmes passiert.« Ihre Stimme war belegt, als sie fortfuhr. »Du warst nicht dabei und hast nicht gesehen, wie entzückt mein Schwiegervater und mein Sohn von der Nachricht unserer Verlobung waren. Es wäre entschieden grausam, die Farce weiterzutreiben, obwohl wir wissen …« Sie brach ab, rang um Fassung. Ihre Augen waren ganz dunkel, als sie weitersprach: »Ich kann sie nicht wissentlich so herzlos täuschen.«
Marcus pflichtete ihr bei. Es wäre allerdings grausam, alle in dem Glauben zu wiegen, dass sie heiraten wollten, während sie beide genau wussten, dass es nur zum Schein war. Die Verlobung müsste bestehen bleiben, und am Ende würden sie heiraten. Er konnte fast spüren, wie sich eine Schlinge um seinen Hals legte und zuzog, aber dann tat er es mit einem Achselzucken ab. Eine Ehe mit Isabel musste nicht schlimm sein. Wenn er schon heiraten musste, dann … Ein schiefes Lächeln spielte um seine Lippen. »Es scheint mir, meine Liebe«, stellte er trocken fest, »als ob wir ganz echt miteinander verlobt sind und statt der Auflösung der Verlobung die Hochzeit planen müssen.« Sie hatte nicht gewusst, wie wichtig ihr seine Reaktion auf die Einsicht war, dass sie nicht einfach die Verlobung lösen konnten, aber bei seinen Worten erfasste sie ungeheure Erleichterung. Sie hatte gewusst, dass er ein ehrenwerter Mann war, und sie war sich sicher gewesen, dass er nicht unangenehm werden würde. Er hatte ja schließlich schon angedeutet, dass er sie heiraten würde, wenn es nötig wäre, aber es war nun einmal eine Sache, rein hypothetisch über etwas zu sprechen, und eine andere, es tatsächlich tun zu müssen. An ihr hatte ein winziger Zweifel genagt, und es freute sie und machte sie glücklich, dass sie sich in ihm nicht getäuscht hatte und er den Grund sehr wohl verstand, weshalb sie die Verlobung nicht lösen konnten.
Aber das hier war
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