Sturm der Herzen
was mehr kann sich ein Mann schon wünschen?«
»Nur wenig mehr«, erwiderte Marcus lächelnd. Trotz seines Argwohns wegen Jacks Beziehung zu Whitley fand Marcus es unmöglich, dem unbekümmerten Charme seines Cousins nicht zu erliegen. Verdammt, ich mag den Kerl , dachte Marcus reuig. Dass er Whitley kennt, muss noch nichts heißen . Aber Marcus war erstaunt und ein wenig enttäuscht, obwohl er dazu eigentlich keinen Grund hatte, dass Jack mit jemandem wie dem Major Umgang pflegte.
Marcus kannte den Typ. Man traf Männer wie Whitley in den Klubs und Spielsalons von Pall Mall oder in den teuren Bordellen, die Herren der guten Gesellschaft frequentierten. Der Major und Seinesgleichen waren unterhaltsame Gefährten bei Trinkgelagen und Bordellbesuchen oder irgendwelchen anderen Männerunterhaltungen, aber sie waren keinesfalls Kandidaten, die man den Damen der Gesellschaft vorstellte. Whitleys unverschämtes Auftreten Isabel gegenüber störte ihn mehr, als er zugeben wollte, und er begann sich zu fragen, weshalb Hugh Manning so jemanden zu seinen Freunden gezählt und zugelassen hatte, dass seine Frau mit ihm gesellschaftlich verkehrte. Er jedenfalls würde einen Schurken wie Whitley nicht auf eine Meile in die Nähe seiner Frau kommen lassen, selbst wenn die gute Gesellschaft voll von Männern wie dem Major war. Man ersparte den Frauen der Familie den Umgang mit Kerlen vom Schlage des Majors besser, fand Marcus.
Die Tatsache, dass Jack Whitley kannte, hätte Marcus gewöhnlich nicht weiter interessiert, aber Jacks Bekanntschaft mit ihm, kombiniert mit Whitleys Verhalten Isabel gegenüber beunruhigte ihn. Natürlich, rief er sich ins Gedächtnis, hatten Whitley und Jack beide beim Militär gedient, und es war möglich, dass sich ihre Pfade während ihrer Laufbahnen mehr als einmal gekreuzt hatten. Er runzelte die Stirn. Vielleicht war das schon alles: Jack kannte Whitley nur ganz oberflächlich. Aber das ergab auf der anderen Seite keinen Sinn. Warum würde Jack dann mitten in der Saison bereitwillig London verlassen, um in ein kleines Dorf am Meer zu reisen, weit abgelegen auf dem Land, um einen Cousin zu besuchen, den er bestenfalls flüchtig kannte?
Marcus nahm also einen Schluck von seinem Brandy und beschloss, nicht lange um den heißen Brei herumzureden, sondern gleich zum Kern der Sache zu kommen. »Mutter hat erwähnt, dass du einen Freund hast, der sich hier in der Gegend aufhalten soll. Einen gewissen Major Whitley?«
Ein seltsamer Ausdruck huschte über Jacks Züge, und Marcus wusste, dass die Nennung von Whitleys Namen ein unangenehmes Gefühl in Jack hervorgerufen hatte.
Jack zögerte einen Moment. »Ach ja. Ich habe von, äh, Freunden gehört, dass Whitley hier irgendwo sein soll, da ich auch in der Gegend bin, dachte ich, ich schaue mal bei ihm vorbei.«
»Die Welt ist wirklich ein Dorf, nicht wahr?«, erklärte Marcus und beobachtete ihn genau. »Ich habe deinen Freund Whitley zufällig vor wenigen Tagen getroffen.«
»Ach wirklich?«, bemerkte Jack. »Was für ein Zufall.« Marcus nickte. »Das dachte ich auch.«
Jack trank von seinem Brandy. »Als du ihn getroffen hast, hat er da unter Umständen erwähnt, wo er untergekommen ist?« Er lächelte, aber Marcus sah, dass es nicht seine Augen erreichte. »Das spart mir die Zeit, ihn zu suchen.«
»Im Stag Horn Inn, unweit von Salcombe, das ist mit dem Pferd etwa eine halbe Stunde von hier.«
»Wie günstig«, erwiderte Jack und betrachtete angelegentlich die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas.
»Ist er ein guter Freund von dir?«
»Nicht wirklich«, antwortete Jack, und in seiner Stimme schwang ein Unterton mit, der bei Marcus die Frage aufkommen ließ, was für eine Sorte »Freundschaft« die beiden wohl verband.
»Dennoch bist du den weiten Weg von London hergekommen, um ihn zu besuchen«, stellte Marcus fest.
Jack grinste. »Nein, ich bin den weiten Weg von London hergekommen, um die Gesellschaft deiner reizenden Mutter zu genießen. Dass Whitley in der Gegend ist, ist ein zusätzlicher Gewinn.« Er nahm einen weiteren Schluck Brandy und schaute ihn an, dann fragte er: »Wie hast du Whitley kennen gelernt?«
Marcus zögerte, er überlegte, wie viel er sagen sollte. Er entschied, dass es ihm nichts bringen würde, die Antwort hinauszuschieben, und sagte schlicht: »Isabel Manning, meine Verlobte, hat uns bekannt gemacht. Sie ist seit fast zehn Jahren verwitwet; es scheint, als ob ihr verstorbener Ehemann und damit auch sie
Weitere Kostenlose Bücher