Sturm der Herzen
mich nicht überraschen«, pflichtete ihm Jack bei.
»Ich weiß nicht, wie nützlich ich sein kann«, stellte Marcus mit einer Grimasse fest. »Meine Begegnung mit Whitley war nicht … besonders freundlich. Ich habe ihn dabei erwischt, wie er Isabel belästigt hat.«
»Und er ist noch am Leben?«, erkundigte sich Jack erstaunt.
Marcus lächelte grimmig. »Sie haben beide die Sache abgetan, und wenn ich Isabel nicht der Lüge bezichtigen wollte, gab es wenig, was ich tun konnte.« Seine Miene verriet Unwillen. »Ich habe versucht, ihn zu provozieren, aber er hat sich nicht reizen lassen.«
»Das klingt ganz nach Whitley. Nach dem, was Roxbury mir berichtet hat, war seine Pensionierung nicht wirklich freiwillig. Es hat im Laufe seines Werdegangs mehrere Vorfälle gegeben, die Whitleys Ruf nicht gut bekommen sind; man hat sich entschlossen, dass seine Zeit in der Armee besser zu Ende gehen sollte, ehe noch mehr Männer unter seinem Befehl getötet oder verwundet wurden oder etwas taten, was der Regierung unangenehm wäre.«
»Warum ist Roxbury also an ihm interessiert?«
Jack starrte eine Weile auf seinen Brandy, ordnete seine Gedanken. Schließlich blickte er Marcus an. »Ich vermute, du hast gehört, dass irgendwann später in diesem Sommer eine Invasion geplant ist, um den Spaniern zu helfen?«
Marcus nickte. »Unter Generalleutnant Sir Arthur Wellesley.«
»Ja, Sir Arthur wird die Truppen anführen, aber die Regierung traut niemandem in diesem Vipernnest, in das Napoleon den Kontinent verwandelt hat. Und - das ist übrigens nicht allgemein bekannt - augenblicklich hat man vor, in Portugal zu landen und von da aus nach Spanien zu gelangen.«
»Ich habe noch nichts Genaueres gehört«, erklärte Marcus mit gerunzelter Stirn, »aber Gerüchte über die Invasion sind schon eine Weile im Umlauf. Wie passt Whitley in Wellesleys Pläne?« Marcus setzte sich gerade hin. Ungläubig wollte er wissen: »Sicherlich verdächtigst du ihn doch nicht, ein Spion für die Franzosen zu sein.«
»Wenn er das ist, dann wissen die Franzosen davon noch nichts, aber Roxbury glaubt, Whitley wird ihnen bald seine Dienste anbieten.« Mit grimmiger Miene fuhr er fort. »Ehe der Major London verlassen hat, hat er alte Freunde bei den Horse Guards besucht. Wie du sicher weißt, wimmelt es da von Offizieren, Regierungsleuten und ihren Freunden, und keiner von ihnen weiß, was genau der andere tut. Wichtige Informationen dringen aus den Horse Guards wie durch ein Sieb nach draußen, aber in der Regel ist es nichts, was von öffentlichem Interesse ist. Es mag peinlich sein oder ärgerlich, ja, aber nichts, was nicht wieder in Ordnung gebracht werden kann. Aber kurz nach Whitleys Besuch vor vielleicht etwas mehr als einer Woche ist ein wichtiges Memorandum verschwunden.«
»Und dieses Memorandum hat mit Wellesleys Truppenbewegungen zu tun?«
Jack nickte. »Der Tag der Abfahrt, Landungsskizzen, alles. Es ist noch genug Zeit, die Pläne zu ändern, aber dann müssten andere geeignete Stellen für eine Truppenlandung gefunden werden, und das würde einen Aufschub der Invasion bedeuten und unsere Verbündeten in Gefahr bringen.« Jack machte aus seinem Abscheu keinen Hehl. »Es ist möglich, und es ist auch diskutiert worden, dass das Memorandum über kurz oder lang auf irgendeinem Schreibtisch wieder auftaucht oder in einer Akte, wo niemand nachgesehen hat, aber einer der Männer, die Whitley besucht hat, ein gewisser General Smithfield, ist der Letzte, von dem man sicher weiß, dass er das Memorandum hatte.« Jack schaute in die Flammen im Kamin. »Smithfield hat aus verständlichen Gründen den Verlust des Memorandums nicht sofort gemeldet. Erst dachte er wohl, er habe es einfach verlegt, und hat wertvolle Zeit mit der Suche danach verschwendet. Als er dann zugegeben hat, dass er das Memorandum nicht finden konnte und der Alarm ausgelöst wurde, hatte er fast schon vergessen, dass Whitley bei ihm im Büro war.«
»Aber er hat sich dann doch an Whitleys Besuch erinnert?«, erkundigte sich Marcus mit hochgezogenen Brauen.
»Ja, hat er, aber er weiß nicht, dass sein alter Freund Whitley unser Hauptverdächtiger für den Diebstahl ist - wenn es denn wirklich gestohlen wurde«, erwiderte Jack. »Alles, was Smithfield oder sonst jemand bei den Horse Guards weiß, ist, dass eine Liste von all den Leuten zusammengestellt wurde, die in der fraglichen Zeit, zu der das Memorandum verschwunden ist, die Büroräume aufgesucht haben. Auf Nachfrage
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