Sturm der Herzen
während ihrer Zeit in Indien mit Whitley befreundet waren. Das ist Jahre her. Offenbar ist Whitley vor Kurzem aus der Armee ausgetreten und hat nun Zeit. Die nutzt er, um alte Freunde aufzusuchen und die Bekanntschaft aufzufrischen - wenigstens behauptet er das.«
»Ach? Und er hat sich einfach so entschlossen, herzukommen und sie zu besuchen? Nach zehn Jahren?«
»Das hat er wenigstens behauptet.«
»Du glaubst ihm nicht«, bemerkte Jack und schaute Marcus eindringlich an.
Marcus trank etwas Brandy. »Kein bisschen«, erklärte er fröhlich. Mit einem Blick zu Jack fügte er hinzu: »Ich halte den Mann für einen Schuft, der nichts Gutes im Schilde führt. Ich habe meiner Mutter schon gesagt, dass unser Butler ihn nicht vorlassen darf, sollte er vorsprechen.« Nachdenklich fügte er hinzu: »Ich muss sagen, dass er nicht zu der Sorte Mensch gehört, den du meiner Einschätzung nach ›Freund‹ nennen würdest.«
Jack schnitt eine Grimasse. »Aber du kennst mich nicht besonders gut, nicht wahr?«
»Das kann ich nicht abstreiten, aber wenn ich eine Sekunde vermutete, dass du wie Whitley wärest, säßest du jetzt nicht hier«, entgegnete Marcus ruhig. »Verwandter oder nicht, ich hätte dich deiner Wege geschickt, sobald Mutter im Haus war.«
Jack stand auf und schenkte sich Brandy nach. Er kam zum Kamin zurück, stellte das Glas auf dem Sims ab und stützte sich mit einem Ellbogen daneben auf, er schaute Marcus an, der weiter auf dem Sessel sitzen blieb.
Nach einem Moment fragte Jack: »Sagt dir der Name Roxbury irgendetwas?«
»Der Duke of Roxbury?«
Jack nickte.
Plötzlich wurden Marcus einige Dinge klar, und er musste grinsen. Während er selbst Roxbury nur einmal in Gesellschaft getroffen hatte, wusste er von Julian, dass der alte Adelige bei Weitem nicht so trottelig war, wie er sich in der Öffentlichkeit den Anschein gab. Man flüsterte sich in einem Kreis auserwählter Herren zu, dass der alte Herzog sich mit weniger angesehenen Mitgliedern unterer Klassen und hitzköpfigen jungen Aristokraten abgab, mit ihnen ebenso verkehrte wie mit führenden Mitgliedern der guten Gesellschaft, Premierministern und Kabinettsmitgliedern. Roxbury war nicht in der Politik aktiv, aber laut Julian hatte der alte Herzog seine Hände durchaus im Spiel, allerdings auf Geheiß der Regierung mehr im Hintergrund. Und es war Roxburys wegen, dass Julian in seinen jungen Jahren mehrere gefährliche Missionen in Frankreich unternommen hatte. Julian erwähnte seine Zeit als Spion im Dienste Roxburys nur selten, aber Marcus wusste durch ihn, dass Roxbury sich die Talente gelangweilter, aber eigentlich wagemutiger Mitglieder der Aristokratie zunutze machte.
Immer noch grinsend setzte sich Marcus in seinem Sessel aufrechter hin und rief: »Du arbeitest für den alten Teufel Roxbury!«
Jack sparte sich die Mühe, das abzustreiten. Er zuckte nur die Achseln und sagte: »Er wusste, dass mir langweilig war, und hat mich gefragt, ob ich für ihn einer kleinen Angelegenheit nachgehen könnte. Er hat deinen Namen erwähnt und angedeutet, dass es günstig wäre, wenn ich unsere Bekanntschaft auffrische; dann merkte er noch an, deine Mutter sei gegenwärtig in London.« Jack lächelte beschämt. »Also bin ich zu eurem Stadthaus gegangen, um deiner Mutter meine Aufwartung zu machen und gleichzeitig die Lage zu sondieren. Schlimmstenfalls hoffte ich, dass sie vorschlägt, dich irgendwann einmal zu besuchen. In dem Fall wollte ich mit einem Schreiben von ihr auf deiner Türschwelle auftauchen und sehen, wie weit ich damit komme.« Er schüttelte verwundert den Kopf. »Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich mein Glück kaum fassen konnte, als sie mir sagte, sie sei im Begriff, nach Sherbrook Hall zu reisen, sobald sie alles für den Aufbruch fertig habe, und ob es mir etwas ausmachen würde, sie zu begleiten.« Jack grinste. »Ich habe sogleich mit beiden Händen zugegriffen, wie du dir sicher denken kannst.«
»Und in welcher Angelegenheit hat Roxbury dich hergeschickt?«
Jack zögerte. »Roxbury hat nichts davon gesagt, dass ich dich nicht einweihen sollte; eigentlich muss ich sagen, jetzt, da ich darüber näher nachdenke«, fuhr er langsam fort, »glaube ich, er hielte es sogar für nützlich, wenn du Bescheid weißt.«
»Vermutlich hat er bereits von meiner Verlobung mit Isabel und ihrer Verbindung zu Whitley erfahren«, bemerkte Marcus. »Nach dem, was Julian erzählt, entgeht dem alten Mann so leicht nichts.«
»Das würde
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