Sturm der Herzen
Er war außerdem viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, die Bücher für die East India Company auf dem aktuellen Stand zu halten. Und ein Brief? Eine Sekunde dachte sie darüber nach, verwarf die Idee dann aber wieder. Nein, ein Brief kam auch nicht in Frage.
Sie riss sich zusammen und gestand: »Ich kann mir nicht vorstellen, was er hat oder zu haben meint; er war sehr darauf bedacht, nichts zu sagen, das mir helfen würde, es mir zusammenzureimen.« Sie biss sich auf die Lippe. »In seiner Nachricht von gestern hat er nur mitgeteilt, er habe etwas von mir, das er gegen Bezahlung zurückgeben würde. Es gab keinen Hinweis, was es ist, nur dass er es in seinem Besitz hat und dass«, sie holte tief Luft, »es in meinem Interesse wäre, es zurückzubekommen.«
Frustriert von ihrer Weigerung, ihm vollends zu vertrauen, erklärte er: »Nun, das ist jedenfalls nicht sonderlich hilfreich!« Er sah sie an. »Vielleicht hat er nichts. Vielleicht blufft er nur.«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, gestand sie. »Aber ich wage es nicht, das Risiko einzugehen.«
»Und du bist dir ganz sicher, dass du mir nicht verraten möchtest, was der Grund ist, der ihm erlaubt, dir so zu drohen?«, wollte er wissen, musterte sie dabei eindringlich.
Isabel schüttelte den Kopf. »Nicht, bis mir nichts anderes übrig bleibt.« Mit flehender Miene gab sie zu: »Ich weiß, ich benehme mich unmöglich, aber …« Sie schaute auf ihre Hände hinab, in denen sie locker die Zügel des Pferdes hielt. »Ich kann nicht. Es tut mir ehrlich leid.«
»Gut«, erklärte er sichtlich verdrossen, »dann sagst du es mir nicht. Lass uns überlegen, was ich weiß. Du glaubst nicht, dass es ein Brief ist oder irgendetwas anderes Aufgeschriebenes, das er wie ein Damoklesschwert über dich hält. Was, denkst du denn, ist es?«
»Das weiß ich doch nicht«, erwiderte sie verzweifelt. »Ich sehe nicht, wie …« Sie brach ab und erklärte erbittert: »Ich darf einfach nicht das Risiko eingehen, darauf zu vertrauen, dass er blufft.«
»Dann gehen wir davon aus, dass er das nicht tut.« Marcus runzelte die Stirn, betrachtete das Problem von allen Seiten. »Du solltest dich letzte Nacht mit ihm treffen. Wo genau?«
Unbehaglich sagte sie: »Er hat sich offenbar mit der Gegend vertraut gemacht, weil er mich in die Laube am See bestellt hat.« Belustigt fügte sie hinzu: »Ich hatte nie vor, ihn dort zu treffen, aber da ich wusste, dass er um die Zeit dann nicht im Gasthof wäre, habe ich die Gelegenheit genutzt, seine Räume zu durchsuchen. Ich wusste nicht, dass du dasselbe tun würdest.« Sie hielt inne, als fiele ihr gerade etwas ein, und sie schaute ihn aus schmalen Augen an. »Was hast du eigentlich dort getan? Das hast du mir noch gar nicht verraten.«
»Das werde ich auch nicht«, erwiderte er ungerührt. »Meine Gründe haben nichts mit deinen zu tun oder mit deinem Problem.« Mit einem Grinsen quittierte er ihre empörte Miene und schob selbstzufrieden nach: »Wenn du Geheimnisse haben darfst, dann gilt das auch für mich.«
Elegant ausmanövriert und darüber kein bisschen glücklich starrte Isabel auf die Stelle zwischen den Ohren ihres Pferdes. Sie wollte Marcus widersprechen, aber sie konnte seine Logik nicht widerlegen. Warum, fragte sie sich, hatte er Whitleys Zimmer durchsucht? Betroffen erkundigte sie sich mit versagender Stimme: »Aber er erpresst dich nicht auch, oder?«
Marcus lachte. »Nein, meine Süße, mich erpresst er nicht. Ich bin ein zu aufrechter, langweiliger Kerl, als dass Whitley etwas über mich wissen könnte, das nicht ans Licht der Öffentlichkeit dringen dürfte. Jetzt vergiss meine Gegenwart in seinem Zimmer letzte Nacht, und lass uns über dein Problem nachdenken. Ich nehme an, du hast noch nicht wieder von ihm gehört?« Auf ihr Nicken hin fuhr er fort: »Wir können davon ausgehen, dass er nicht einfach aufgeben und weiterziehen wird. Und wir können davon ausgehen, dass er sich wieder mit dir in Verbindung setzen wird.« Er sah sie an. »Du und Lord Manning, ihr werdet heute Nacht an Mutters Abendgesellschaft teilnehmen, oder?«
»Um deinen Cousin Jack kennen zu lernen«, sagte sie trocken. »Der Gentleman, der gestern Nacht bei dir war.«
»Dir wird Jack gefallen«, erklärte er lächelnd. »Und bis dahin werde ich mir etwas überlegt haben, um Whitley die Giftzähne zu ziehen. In der Zwischenzeit …« Sein Lächeln verblasste, und an seine Stelle trat ein unerbittlicher Ausdruck. »Falls du in der
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