Sturm der Herzen
Besuch bei den Horse Guards verlassen hat, und dann auch noch in einen Teil Englands, der für seine Schmuggler berühmt ist.«
Marcus schnaubte. »Was, möchte ich erwähnen, beinahe für die halbe englische Küste gilt. Aber du hast recht: Wir haben eine Menge Schmuggler, obwohl ich eigentlich gedacht hätte, dass Kent oder Sussex für seine Zwecke noch besser wären.«
»Da stimme ich dir zu, aber wenn er versucht, seine Spur zu verwischen, wäre Devonshire - zugegebenermaßen ein Schmugglerloch - eben nicht ganz so offensichtlich.«
Marcus nickte. »Und seine angeblich alte Freundschaft mit Mrs Manning liefert zudem einen glaubwürdigen Grund.« Sie schwiegen einen Moment, ehe Marcus fragte: »Also, wie sieht der nächste Schritt aus?«
Jack wirkte angewidert. »Ich weiß nicht, aber wenn er das Memorandum hat, muss er es irgendwo in der Nähe versteckt haben. Wenn er vorhat, auf französisches Gebiet zu gelangen, muss er es schnell bei der Hand haben können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es in London gelassen hat.« Er warf einen nachdenklichen Blick zu Marcus. »Bist du sicher, dass du überall in seinem Zimmer gesucht hast?«
»Ja, ganz sicher«, erwiderte Marcus mit leisem Spott. Er hatte den Anflug von Zweifel in Jacks Stimme gehört, machte ihm aber keinen Vorwurf daraus; wenn ihre Rollen vertauscht wären, würde er auch zweifeln und würde Whitleys Zimmer selbst inspizieren wollen. Marcus betrachtete Jack und konnte fast sehen, wie er in Gedanken verschiedene Möglichkeiten durchging, wie er in Whitleys Zimmer gelangen und es selbst durchsuchen könnte. Belustigt erkundigte er sich: »Du wirst selbst nachsehen, nicht wahr?«
Jack besaß den Anstand, schuldbewusst zu wirken. »Es ist nicht, dass ich dir nicht glaube …«
»Du wirst auch nichts finden«, erklärte Marcus. »Um der Gerechtigkeit willen werde ich dieses Mal Whitley festhalten, während du in seinem Zimmer bist.«
»Danke«, sagte Jack, erleichtert, dass Marcus es nicht persönlich nahm, dass er eine zweite Suche durchführen wollte. Dass er für ihn auch noch Whitley ablenken wollte, damit er ungestört seiner Arbeit nachgehen konnte, war ein schöner Zug, aber ihm fiel wieder ein, weshalb sie es nicht von Anfang an so gemacht hatten. »Wird er nicht Verdacht schöpfen, wenn du mit einem Mal freundlich bist?«, fragte er. »Du hast doch erzählt, euer einziges Zusammentreffen bisher war nicht sonderlich herzlich.«
»Ich habe bloß gesagt, ich wollte ihn ablenken«, stellte Marcus richtig. »Ich habe nichts davon erwähnt, dass ich freundlich sein wollte.«
Marcus kannte sich mit Isabels Gewohnheiten aus, daher wartete er am nächsten Morgen kurz nach sieben Uhr auf dem schmalen Reitweg, der an der Grenze zwischen den beiden Landsitzen verlief. Während er wartete, fiel ihm auf, dass er viel zu viel über ihr Leben und ihre Angewohnheiten wusste, als jemand wissen sollte, der so wenig an ihr interessiert war, wie er immer von sich geglaubt hatte. Es war, gestand er sich nicht ohne Unbehagen ein, als ob ein Teil von ihm, ein Teil, der tief in ihm verschüttet war und bislang unbemerkt immer schon auf sie geachtet hatte, sich ihrer stets bewusst gewesen war, obwohl er Abstand hielt.
Auf einem unruhigen, jungen schwarzen Hengst kam Isabel in Sicht, und er schob die unangenehmen Überlegungen beiseite. Auf sein Zeichen hin setzte sich sein Pferd in Bewegung.
Isabel war so sehr damit beschäftigt, den Hengst davon zu überzeugen, dass es höchst unhöflich wäre, sie abzuwerfen, dass sie nichts von Marcus’ Näherkommen merkte, bis ihr Pferd stehen blieb und sich beim Anblick seines Artgenossen halb aufbäumte. Sie kämpfte darum, es wieder unter Kontrolle zu bringen. Nachdem das gelungen war und der junge Hengst sich damit begnügte, ein wenig umherzutänzeln und zu schnauben, schaute sie Marcus argwöhnisch an.
»Es überrascht mich, dass du heute Morgen schon so früh unterwegs bist«, stellte sie höflich fest und war wild entschlossen, das jähe Aufwallen einer Mischung aus Freude und Entsetzen zu ignorieren, das sein Auftauchen in ihr bewirkt hatte.
»Es sollte dich aber nicht überraschen«, erwiderte er in ausgeglichenem Ton. »Ich glaube, wir haben etwas zu besprechen.«
Sie hatte die halbe Nacht wachgelegen und versucht, sich einen halbwegs vernünftigen Grund dafür einfallen zu lassen, dass sie in Whitleys Zimmer gewesen war, aber ihr war kein Erfolg beschieden gewesen. Verständlicherweise hatte sie
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