Sturm der Herzen
froh, dass er nicht Major Whitley war. »Oh, ich habe mir da schon etwas überlegt«, antwortete Marcus. »Mach dir keine Sorgen wegen des Majors. Ich habe fest vor, ihn für eine Weile vom Gasthof fernzuhalten, sodass du ausreichend Zeit für deine Durchsuchung haben wirst.«
Die Dinnergesellschaft verlief angenehm, und obwohl er in Gedanken mit anderen Dingen beschäftigt war, unterhielt Marcus sich ausgezeichnet - besonders Isabels ausdrucksvolles Gesicht zu beobachten, während ein Hochruf nach dem anderen auf das junge Paar ausgebracht und immer wieder die Frage nach der Hochzeit gestellt wurde, war alles andere als langweilig. Isabel stammelte und stotterte Antworten auf die freundlichen Nachfragen, und von Zeit zu Zeit erbarmte sich Marcus ihrer und sprang in die Bresche, wenn sie ihm einen verzweifelten Blick zuwarf. Alle hielten ihre Art für ganz reizend und genauso, wie eine Braut sich verhalten sollte, dennoch begann Marcus sich zu fragen, ob er eigentlich der Einzige war, der bemerkte, dass die bevorstehende Hochzeit sie nicht restlos glücklich machte.
Mehrere der gewohnten Gäste waren anwesend: Lord Manning, Sir James und Lady Agatha, Mrs Appleton zusammen mit ihrem Bruder Bischof Latimer, der kurzfristig eingeladen worden war. Nachdem er heute Nachmittag überraschend zu einem kurzen Besuch auf der Türschwelle seiner Schwester erschienen war, hatte man ihn hastig in die Gästeliste aufgenommen. Allerdings war eine Person da, deren Anwesenheit ihn überraschte. Nachdem sie von seiner unerwarteten Rückkehr in die Gegend gehört hatte, hatte Marcus’ Mutter auch Garrett Manning noch eine Einladung zukommen lassen. Marcus war sich nicht sicher, ob es ihn freute oder nicht, dass der Mann an seinem Tisch saß.
Abgesehen von seiner Größe und seinen blauen Augen besaß Garrett kaum Ähnlichkeit mit seinem Onkel Lord Manning und der restlichen Familie. Die meisten Mannings waren blond und hellhäutig, aber Garretts Farben waren dunkel, sein Teint kräftig und sein Haar so schwarz wie Marcus’ eigenes. Zwar war er charmant, verströmte aber nicht die mühelose Herzlichkeit und Wärme, die Lord Manning auszustrahlen schien. Er hatte etwas Wachsames an sich und wirkte irgendwie, als fröne er einem eher liederlichen Lebenswandel, was insgesamt seltsamerweise seine Attraktivität noch steigerte. Das Glitzern eines kleinen Diamanten in seinem Ohrläppchen verstärkte noch das Flair, das seine elegante Gestalt umgab. Wenn man jemanden suchte, mit dem man einen angenehmen Abend bei Kartenspiel und Trinken, einem Besuch bei Tattersall oder anderen Orten männlicher Interessen verbringen wollte, konnte man Marcus’ Meinung nach keinen Besseren finden. Er lächelte. Außer, gestand er sich ein, seinen Cousin Charles, den Charles aus den Tagen vor seiner Heirat mit Daphne. Garrett erinnerte ihn in vielerlei Hinsicht an diesen Charles, und wie Charles mochte er ihn … ein bisschen.
Gelegentlich, wenn er seinen Blick von Isabels einnehmenden Zügen losreißen konnte, musterte Marcus Garrett diskret, er wunderte sich über seine unerwartete Heimkehr und seine plötzliche Freundschaft mit Whitley. Garrett sah nicht wie ein Mann aus, dessen Hoffnungen durch Isabels Verlobung vernichtet worden waren, und Marcus konnte auch keine Anzeichen eines unterlegenen Verehrers erkennen. Sein Verhalten Isabel gegenüber war genau so, wie es sein sollte: höflich und zuvorkommend, ohne übertriebene Vertraulichkeit.
Jack kam bei allen gut an. Die Damen umschwärmten ihn, bestaunten wortreich seine Tapferkeit, und die Herren überschütteten ihn mit Fragen zu seinem Militärdienst und seiner Meinung zum Krieg gegen Napoleon. Jack war ein ausgezeichneter Erzähler und zudem klug genug, die Unterhaltung nicht an sich zu reißen.
Wie Marcus es vorausgesagt hatte, wurden kurz nach elf Uhr abends die ersten Kutschen geholt, und allmählich begannen sich die Gesellschaftsräume von Sherbrook Hall zu leeren. Es hatte keine Gelegenheit für ein privates Gespräch gegeben, aber als Lord Manning auf der Eingangstreppe zum Haus stehen blieb, um ein paar Worte mit Garrett zu wechseln, fragte Marcus, der Isabel zur Manning’schen Kutsche geleitete: »Ich nehme an, du hast nichts von Whitley gehört?«
Isabel schüttelte den Kopf. »Nein.« Sie runzelte die Stirn. »Nachdem ich ihn letzte Nacht versetzt habe, fürchtete ich, dass heute eine weitere Nachricht kommen würde, in der er ein weiteres Treffen verlangt, aber es ist nichts
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