Sturm der Herzen
dergleichen eingetroffen.« Sie biss sich auf die Lippe. »Das macht mir Sorgen.«
Marcus nickte, als ob ihre Worte etwas bestätigten, was er bereits wusste. »Mach dir keine Gedanken, meine Liebe«, sagte er. »Erinnere dich, du bist nicht mehr allein damit; du hast mich an deiner Seite, und ich will nicht, dass Whitley oder sonst jemand deinen Seelenfrieden stört.« Seine Augen wurden hart. »Wenn er dich auf irgendeine Weise kontaktiert, lass es mich unverzüglich wissen.«
»Er gibt vermutlich nicht auf«, warnte sie ihn.
Ein wölfisches Lächeln spielte um seine Lippen. »Ich ebenso wenig.«
Weniger als eine Stunde später, nachdem auch der letzte Gast gegangen war und Barbara ihrem Sohn und ihrem Neffen gute Nacht gewünscht und sich auf ihr Zimmer zurückgezogen hatte, verließen Marcus und Jack das Haus und begaben sich zu den Ställen. Nachdem sie die Pferde gesattelt hatten, ritten sie los.
Eine halbe Meile weiter zügelten sie ihre Tiere, um sich ein letztes Mal abzusprechen, ehe sie sich trennten. Jack erkundigte sich: »Woher weißt du, dass er sich mit dir trifft?«
Marcus lächelte ohne eine Spur von Belustigung. »Weil ich ihm eine Nachricht geschickt habe, in der ich ihn dazu auffordere. Er glaubt, sie sei von der Dame, die letzte Nacht zur Verabredung nicht erschienen ist.«
Jack betrachtete ihn mit einer steilen Falte auf der Stirn. Jack gefiel die Idee, dass Whitley ein gutes Stück vom Gasthof entfernt wäre, wenn er durch das Fenster in sein Zimmer einstieg, aber er machte sich Sorgen wegen einiger Löcher in Marcus’ Plan. Woher wusste Marcus, dass Whitley keine andere Abmachung mit der geheimnisvollen Dame getroffen hatte? Die Fähigkeit zu schreiben war in der Schicht, aus der Whitleys Bekanntschaften sich vermutlich rekrutierten, nicht verbreitet, woher also wollte Marcus wissen, dass die Dame schreiben konnte? Seine Augen wurden schmal. Es gab, schloss er messerscharf, offensichtlich eine Menge, was sein Cousin ihm verschwieg. Marcus spielte noch ein Spiel, und verflixt, er kam einfach nicht darauf, was es war. Jack glaubte, dass jedes Spiel, das in irgendeiner Weise mit Whitley zu tun hatte, gefährlich war, und er hatte Bedenken, wenn sein Cousin vorhatte, den Mann allein zu stellen.
»Es ist ein guter Plan, wenn alles so läuft, wie wir hoffen.« Zögernd erklärte Jack: »Mir schmeckt es allerdings gar nicht, dass du ihn allein treffen willst.«
Marcus sandte ihm einen scharfen Blick. »Nun, das ist jetzt aber fast schon eine Beleidigung. Reicht es etwa nicht, dass du meine Fertigkeiten im Zimmerdurchsuchen anzweifelst, musst du jetzt auch noch infrage stellen, ob ich in der Lage bin, mit einem feigen Prahlhans ohne fremde Hilfe fertig zu werden?«
»Das ist es nicht«, erwiderte Jack unglücklich. »Whitley ist vielleicht ein Wiesel, aber auch Wiesel haben Zähne, und du hast bislang noch nicht mit jemandem wie ihm zu tun gehabt.«
»Oh, gütiger Himmel!«, rief Marcus angewidert. »Du klingst gerade so wie Julian und Charles oder meine Mutter.« Geduldig erklärte er: »Ich mag nicht so ein abenteuerliches Leben geführt haben wie du oder solche gefährlichen oder waghalsigen Sachen erlebt haben wie Julian und Charles, aber ich versichere dir, dass ich mit Whitley fertig werde. Du musst dich nur um deinen Teil kümmern, zum Stag Horn Inn reiten und in Whitleys Zimmer gelangen. Mach dir um mich keine Sorgen.« Etwas Dunkles, Eindringliches trat in seine grauen Augen. »Wenn du dir Sorgen machen willst, dann bemutter Whitley.«
Sie trennten sich, Jack ritt in Richtung des Gasthofes, und Marcus nahm eine Abkürzung, die ihn querfeldein zu der Laube am See führte. Jack hatte den längeren Weg; Marcus brachte sein Pferd kaum zehn Minuten später zum Stehen. Nachdem er abgesessen war und die Zügel um einen Ast in der Nähe geschlungen hatte, erkundete er leise die Umgebung. Er hatte diesen Ort nicht nur deswegen ausgewählt, weil Whitley selbst ihn in der ersten Nachricht an Isabel genannt hatte, sondern auch aufgrund des Umstandes, dass er sich hier auskannte. Nach einem langen, abschätzenden Blick entschied er, dass seine Wahl klug gewesen war.
Wie Glas im Mondschein schimmernd lag der große See, der seinen Besitz von denen von Isabels Onkel und ihrem Schwiegervater trennte, schier endlos vor ihm, das entfernte Ufer verschmolz mit der Dunkelheit. Etwa fünfzig Fuß vom Wasser entfernt stand eine kleine hölzerne Laube, deren weißer Anstrich in der Nacht zu leuchten
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