Sturm der Herzen
schien. Zu beiden Seiten befanden sich große, in Stein gefasste Goldfischteiche, die vor vielen Jahren von Lord Manning als Geschenk an seine Frau errichtet worden waren. Hohe dreistufige Springbrunnen bildeten den Mittelpunkt eines jeden Beckens, und das Wasser plätscherte leise in der Stille der Nacht. Während Lady Mannings Lebzeiten hatten hier eine Reihe fröhlicher Zusammenkünfte von Familie und Freunden stattgefunden, aber zurzeit wurde die Laube nur selten aufgesucht.
Marcus war absichtlich früh eingetroffen, weit vor der Uhrzeit, die er angegeben hatte. Dennoch schlich er vorsichtig näher. Wie erwartet lag die Laube verlassen; nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass Whitley nicht ebenfalls früher gekommen war, trat er zu einem Fischbecken und schaute hinein. Das gelegentliche Schimmern von Gold in den Tiefen zeigte, dass Lady Mannings Goldfische trotz des Schilfes und der Wasserlilien, die an manchen Stellen den Teich zu verschlingen drohten, gediehen. Die Teiche waren mit einer niedrigen Steinmauer eingefasst, die oben einen breiten, flachen Rand besaß, auf den die Damen sich setzen konnten, um die Fische zu füttern. Marcus stellte einen Fuß auf den glatten Rand und lächelte. Er fragte sich, ob der Major eigentlich Wasser mochte. Er hoffte nicht.
Die Laube und die Fischteiche befanden sich in offenem Gelände, und er wusste, wenn er das Überraschungsmoment für sich nutzen wollte, dann musste er Whitley ergreifen, ehe der andere die Deckung des Waldes verließ, der den größten Teil des Sees säumte. Dass er wusste, aus welcher Richtung Whitley kommen würde, erleichterte ihm seine Aufgabe, daher ging er in den Wald und suchte sich eine Stelle, die für seine Zwecke ideal war.
Weit vor der genannten Zeit von zwei Uhr morgens hörte Marcus ein Pferd näher kommen und lächelte zufrieden. Es sah ganz so aus, als ob er nicht der Einzige war, der heute früher hier sein wollte. Angestrengt lauschend schlich Marcus nahezu lautlos durch die Nacht, spürte Pferd und Reiter auf und folgte ihnen, während sie sich dem Waldrand näherten.
Als Whitley schließlich sein Pferd anhielt und absaß, war Marcus bereit, wartete aber noch, bis der andere sein Pferd an eine junge Lärche gebunden hatte, ehe er zuschlug. Er wirbelte Whitley herum, versetzte ihm einen kräftigen Fausthieb aufs Kinn. Benommen schnappte der nach Luft, Marcus ließ auf den ersten Schlag mit seiner Linken einen zweiten in den Magen folgen und einen weiteren rechten Haken aufs Kinn. Keuchend und völlig überrumpelt fiel Whitley zu Boden. Marcus drehte Whitley auf den Bauch und fesselte ihm die Hände auf dem Rücken, so geschickt und schnell, als täte er das täglich. Nachdem er diese Aufgabe innerhalb von Sekunden zu seiner Zufriedenheit erledigt hatte, band Marcus Whitley rasch einen schwarzen Schal über die Augen.
Marcus hielt das Verbinden der Augen für eine ausgezeichnete Idee. Whitley würde seine Stimme womöglich wiedererkennen, aber vielleicht auch nicht. Marcus war es egal, ob Whitley erriet, wer er war; mit der Augenbinde bezweckte er vor allem, dass Whitley nicht sehen konnte, was als Nächstes mit ihm geschah, dadurch würde sich der Major noch verwundbarer fühlen, als er es jetzt bereits tat.
Er zerrte Whitley hoch und schubste ihn in Richtung des Sees. Whitley stolperte und taumelte, Marcus packte ihn am Arm und bugsierte ihn zu der Laube.
Mit großer Ruhe sagte Whitley: »Ich habe Geld. Lassen Sie mich unverletzt gehen, Sie können alles haben.«
Marcus lachte grimmig. »Ich bin kein Räuber, mein Freund, Ihr verdammtes Geld will ich nicht.«
Beim Klang von Marcus’ Stimme zuckte Whitley zusammen und wandte den Kopf in die Richtung. »Wer sind Sie?«, verlangte er zu wissen. »Kenne ich Sie?«
»Nun, warum sollte ich mir die Mühe machen, Ihnen die Augen zu verbinden, wenn ich Ihnen verraten wollte, wer ich bin?«, erwiderte Marcus ungerührt.
»Was wollen Sie?«
»Ach, nur eine Kleinigkeit, die Sie haben, die aber einer Dame gehört.«
Whitley versteifte sich und blieb schwankend stehen. »Jetzt sagen Sie nicht, dass Isabel Sie angeheuert hat!«, rief er erstaunt.
»Ach, das wäre aber aufschlussreich, was?«
Zu seiner Verwunderung gewann Marcus an der Sache langsam richtig Spaß. Es war eine schöne Nacht, und er unternahm eine ritterliche Tat; zudem erteilte er einem echten Mistkerl eine Lektion. Er lächelte. Und der beste Teil kam erst noch.
Sie erreichten einen der Goldfischteiche, und
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