Sturm der Herzen
ihm wurde jäh bewusst, wo er sich befand. Himmel! Er war in Mannings Salon und stand kurz davor, Isabel auf dem Sofa zu verführen!
Er rang um Selbstbeherrschung und schob Isabel entschlossen von sich. Es war schwierig. Ihr Gesicht war so süß gerötet, die wunderschönen goldbraunen Augen verhangen vor Leidenschaft, und ihr weicher Mund war viel zu anziehend für seinen Seelenfrieden. Aber das Wissen, dass Manning direkt im Nebenzimmer vielleicht im Sterben lag, wirkte wie ein Guss kalten Wassers.
Isabel blinzelte, und Marcus entging der Moment nicht, in dem sie in die Wirklichkeit zurückfand. Sie schnappte nach Luft und wirbelte herum, schaute zur angelehnten Tür; mit entsetzter Miene sah sie ihn wieder an. »Gütiger Himmel! Wie konnte ich nur vergessen, auch nur den Bruchteil einer Sekunde …«
Marcus verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Wir sind heute Nacht beide nicht wir selbst.«
Sie lachte halb hysterisch. »Das ist eine Untertreibung.« Sie rang darum, ihre Haltung zurückzufinden, sie schüttelte ihre Röcke aus; ihr Gesicht wurde flammend rot, als sie ein Prickeln erfasste, weil sie daran dachte, wie Marcus große warme Hände sich auf ihrem Po angefühlt hatten. Mit durchgedrücktem Rückgrat zwang sie sich, sich wieder aufs Sofa zu setzen, nahm ihre Teetasse und trank einen Schluck. Er war kalt, aber wenigstens hatte sie so etwas zu tun.
Marcus brauchte dringend etwas Stärkeres, und als er sich umschaute, erspähte er mehrere Karaffen und Gläser auf einem niedrigen Holztischchen mit herrlichen Schnitzereien. Er durchquerte den Raum und goss Brandy in einen Schwenker, trank ihn aus und schenkte sich nach.
Nachdem er tief Luft geholt hatte, kehrte er zu seinem Stuhl zurück. Dort nahm er Platz, hob das Glas an seine Lippen und gönnte sich einen Schluck, er zerbrach sich den Kopf auf der Suche nach einem unverfänglichen Gesprächsthema, das sie beide von dem, was hier eben vorgefallen war, und dem Mann im Zimmer nebenan ablenken würde. Da fiel ihm wieder sein Abenteuer von heute Nacht ein, und er grinste.
»Ich habe übrigens etwas für dich«, erklärte er und stellte sein Glas ab, er griff in seine Westentasche. Der Goldanhänger, den er Whitley abgenommen hatte, lag auf seiner Hand, als er sie Isabel hinhielt. »Ich glaube, das hier gehört dir.«
Isabel erbleichte und wich vor dem Gegenstand auf seiner Hand zurück, als sei es eine giftige Schlange. Sie sprang auf, sah zutiefst erschüttert aus, ja verängstigt, als sie ihren Blick von dem Anhänger losriss und ihn anstarrte. Mit belegter Stimme krächzte sie. »Wo hast du das her?«
Marcus runzelte die Stirn; das war nicht die Reaktion, mit der er gerechnet hätte. Er schaute auf den Anhänger, betrachtete ihn zum ersten Mal genauer. Was hatte es mit diesem Schmuckstück auf sich, dass sie so bei seinem Anblick erschrak? Welches Geheimnis barg es? Oder, wichtiger noch, welches Geheimnis konnte es enthalten, dass Whitley glaubte, sie würde ihm alles zahlen, um es geheim zu halten?
10
M arcus schaute von ihr zu dem Anhänger, er zog die Brauen zusammen. Seinen Blick richtete er auf ihr Gesicht, und er sagte: »Glaubst du nicht, dass es Zeit wird, dass du mir verrätst, was hier vor sich geht? Whitley war offensichtlich davon überzeugt, dass dieser Anhänger Macht über dich hat.« Seine Augen wurden schmal. »Ist es das, was du in seinem Zimmer gesucht hast?«
Sie zögerte, blickte kurz auf den Anhänger, dann wieder weg. »Nicht genau«, sagte sie schließlich. »Ich habe die Wahrheit gesagt, als ich erzählte, ich wüsste nicht, was er habe, nur dass er mir schaden wollte und etwas besaß, das er dazu benutzen könnte.«
»Und dieser Anhänger würde dazu taugen?«, erkundigte er sich ungläubig.
»Ja. Nein. Ach, ich weiß nicht.« Sie holte tief Luft. »Aber ich wollte nichts riskieren, nicht, wenn Whitley am Ende wirklich etwas in der Hand hatte, irgendeinen Gegenstand, der …« Sie schaute wieder fort, biss sich auf die Lippe. »Es ist sehr kompliziert«, erklärte sie schließlich.
Marcus schnaubte abfällig. »Offensichtlich.« Sein Blick glitt über ihre halb abgewandten Züge. »Ich nehme nicht an, dass du mir diese komplizierte Angelegenheit erklären willst, oder?«
Sie lachte bitter. »Nein, lieber nicht.« Sie schaute ihm offen ins Gesicht und fügte hinzu: »Ich werde dich nicht anlügen; wenn ich vermeiden kann, es dir zu sagen, werde ich das tun. Wenn es nach mir geht, werde ich das Geheimnis mit in mein
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