Sturm der Herzen
lieber die Kekse und Tee, aber Bratenscheiben und Eier sind genau das, was ich jetzt brauche.«
Ein leises Lächeln glitt über Deerings Gesicht. »Das ist genau das, was die Köchin gesagt hat, als ich protestieren wollte.« Sein Blick glitt erneut zur Verbindungstür. »Irgendwelche Veränderungen?«, fragte er flüsternd.
Marcus schüttelte den Kopf. »Es geht ihm wenigstens nicht schlechter. Er schläft ruhig, und sein Enkel ist an seiner Seite.«
Da ihm kein Grund mehr einfiel, weshalb er bleiben könnte, verneigte sich Deering und zog sich zurück.
Während Isabel an ihrem frischen würzigen Keks knabberte und von ihrem Tee nippte, bediente Marcus sich von dem Teller mit den Lendenbratenscheiben, nahm sich Rührei und warme Brötchen und auch noch zwei Apfelbeignets. Es war lange her, seit er das letzte Mal gegessen hatte. Mehrere Minuten lang herrschte einvernehmliches Schweigen, während Isabel hin und wieder einen Bissen nahm, ansonsten ins Leere starrte und Marcus sich auf das Essen vor sich konzentrierte.
Nachdem sein Teller leer war und er sich einigermaßen gestärkt fühlte, erhob er sich und sagte zu Isabel: »Ich bin gleich zurück. Ich werde nachsehen, wie es ihm geht, und frage Edmund, ob er ein paar Apfelbeignets möchte, solange sie noch warm sind.«
Als er leise den Nebenraum betrat, fand er Edmund und Lord Manning friedlich schlafend vor. Edmund lag zusammengerollt neben seinem Großvater, und Lord Mannings Arm lag um die Schulter des Jungen. Marcus’ Herz zog sich zusammen, während er die beiden musterte. Den Baron zu verlieren wäre ein schwerer Schlag für sie alle, aber Edmund würde am meisten darunter leiden. Armer kleiner Bursche. So jung und schon ohne Vater, und am Ende auch noch ohne Großvater. Marcus konnte sich gut an den Schmerz erinnern, als sein Vater gestorben war, er schwor sich, dass er für den Jungen sein Bestes geben und versuchen würde, ihm den alten Baron so weit wie möglich zu ersetzen.
Als spürte er Marcus’ Gegenwart, flatterten Lord Mannings Lider, und er wachte auf. Sein Blick traf Marcus’, und er lächelte wieder eines dieser schmerzhaft-schiefen Lächeln. »Sind Sie böse auf mich, weil ich Sie und Isabel so zum Altar gehetzt habe?«
Marcus schüttelte den Kopf, und in seinen grauen Augen stand Belustigung. »Dafür danke ich Ihnen. Isabel hat sich geziert, ein Datum festzulegen, das Problem haben Sie uns geschickt aus den Händen genommen.« Sein Blick wurde scharf. »Und das war auch Ihr Plan, nicht wahr?«
Der alte Mann nahm sorgsam seinen Arm von Edmund und gestand: »Sie schien so froh über die Verlobung, aber sie ist eine kleine Teufelin, die sich Zwängen nicht gerne fügt. Daher hatte ich Angst, dass sie, wenn ich erst gestorben bin, die Verlobung abbläst. Die Ländereien und der Besitz sind wertvoll, und es geht zudem um ein großes Vermögen, das einmal Edmund gehören wird, wenn ich nicht mehr bin. Bis er volljährig ist, brauchen er und Isabel jemanden, der sie schützt und die Zügel fest in der Hand hält.«
»Lassen Sie das nur nicht Isabel hören«, warnte ihn Marcus halb im Spaß, während er sich ein Bild vom Zustand des alten Mannes zu machen versuchte. Bis auf die nicht zu verbergende halbseitige Lähmung sah er bemerkenswert gut aus. Seine Gesichtsfarbe war frischer, seine Augen blickten klar, und er sprach, wenn auch unter Mühen, verständlich - ein ermutigendes Zeichen.
Lord Manning schmunzelte. »Ich weiß. Ich bezweifle nicht, dass sie mehr als in der Lage ist, den Besitz zu führen und das Manning’sche Vermögen zusammenzuhalten und zu mehren. Aber sie würde sich damit gegen die Konvention stellen, und der Junge wäre leichte Beute für die skrupelloseren unter unseren Mitmenschen, die ihn ausnutzen wollen. Als Isabels Ehemann werden Sie sie beide beschützen.«
»Das hätte ich auch so getan«, stellte Marcus ruhig fest.
Lord Manning schloss die Augen, und seiner Stimme war seine Erschöpfung deutlich anzuhören. »Ich weiß«, sagte er leise, wieder verschwommen. »Ich weiß, aber so ist es besser, und ich kann in dem Wissen sterben, dass sie in Sicherheit sind.«
Marcus berührte seine Hand, die schlaff auf der Bettdecke lag, und Manning öffnete die Augen. Marcus lächelte aufmunternd. »Denken Sie mehr ans Leben, Mylord, und weniger ans Sterben.«
Der alte Mann lächelte schwach und schlief wieder ein.
Marcus drehte sich um, ließ Edmund und Lord Manning allein und kehrte in den Salon nebenan zurück. Er
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