Sturm der Herzen
Flures sein.« Sie blickte ihn an. »Es ist alles so merkwürdig, nicht wahr?«
»Allerdings. Ich bin recht sicher, dass mir nie eingefallen wäre, dass ich die ersten Nächte meiner Ehe allein in einem Zimmer verbringen würde, das neben dem des ehemaligen Schwiegervaters meiner Frau liegt«, entgegnete Marcus trocken.
Isabel unterdrückte ein Kichern, das fast hysterisch klang, ehe sie wieder die Treppe hochlief.
Zwischen dem Kommen und Gehen der verschiedenen Besucher war Mrs Appleton in Begleitung ihrer Kammerzofe und mehrerer Gepäckstücke zurückgekehrt; Deering brachte sie fürsorglich zu ihrem Zimmer.
Danach wurde es etwas ruhiger, der Besucherstrom ebbte ab, und Marcus, der die Nachwirkungen einer langen schlaflosen, dafür aber ereignisreichen Nacht zu spüren begann, läutete nach Deering, um um eine Kanne sehr starken und sehr heißen Kaffees sowie eine Karaffe Cognac zu bitten. Wie durch Zauber stand beides binnen Kürzestem vor ihm, und nachdem er einen Schluck großzügig mit Cognac versetzten Kaffee genommen hatte, fragte er den Butler: »Ist oben alles in Ordnung?«
Deering gestattete sich ein schwaches Lächeln. »Ja. Edmund und Mrs Man… Sherbrook schlafen beide, jeweils auf einem der beiden Sofas in Lord Mannings Salon. Mrs Appleton und der Arzt sind bei ihm.«
»Irgendwelche Veränderungen?«
Deerings Lächeln verschwand. »Nein, aber er scheint ruhig zu schlafen; das sagt sogar Mr Seward.«
»Nun, dann bleibt zu hoffen, dass Mr Seward weiß, wovon er spricht.«
Deering war keine fünf Minuten weg, Marcus hatte es sich gerade erst in einem großen Polsterstuhl bequem gemacht, als er eine Kutsche kommen hörte. Mit einem Seufzen erhob er sich und schaute aus dem Fenster auf ein Paar prächtiger Rappen, die einen flotten hochrädrigen Phaeton zogen und gerade vor den Eingangsstufen zum Stehen kamen. Es erstaunte ihn nicht sonderlich, Garrett Manning auf dem Kutschbock zu sehen.
Einen Augenblick später führte Deering Garrett in den Grünen Salon. Marcus, der den elegant geschnittenen dunkelblauen Rock, die lederfarbenen Hosen und schimmernden Stulpenstiefel des Mannes betrachtete, kam sich im Vergleich in seinem alten flaschengrünen Rock und dem zerknitterten Halstuch ziemlich schäbig vor. Er ertappte sich bei dem sehnsüchtigen Gedanken an ein heißes Bad, gefolgt von ein paar Stunden Schlaf.
»Mein Guter! Eine Totenwache und eine Hochzeit, alles in derselben Nacht!«, rief Garrett, als er den Raum durchquerte. Er streckte ihm die Hand hin und fragte: »Sollen wir um den alten Mann trauern oder Ihre Hochzeit feiern? Oder beides?«
Die echte Sorge in den blauen Augen nahm der Frage alle Flapsigkeit, und Marcus schüttelte Garrett die Hand, er sagte: »Keine Trauer. Der alte Mann hält sich wacker.«
Die Erleichterung in Garretts Miene war nicht zu übersehen; ihm entfuhr ein kurzes Lachen. »Ich weiß, es wird Ihnen schwerfallen, das zu glauben, aber ich mag den alten Knaben sehr gerne.«
Marcus nickte. »Und er Sie, allerdings wünscht er sich, Sie wären weniger Wüstling.«
Garrett zuckte die Achseln. »Man bekommt nur selten genau das, was man sich wünscht.« Er hob eine Braue und schaute Marcus an. »Also darf ich Ihnen und der lieblichen Isabel von Herzen Glück wünschen?«
»Ja. Ihr Onkel wollte uns verheiratet sehen, ehe er … Wir haben uns seinem Wunsch gefügt.«
Garrett musterte ihn scharf. »Glauben Sie, dass er stirbt?«
»Es war knapp, aber nach derzeitigem Stand nein, eher nicht. Der Arzt mag anderer Auffassung sein als ich, aber ich glaube, wenn er sterben müsste, wäre das inzwischen geschehen.« Zögernd fügte er hinzu: »Aber er ist nicht ungeschoren davongekommen, und ich fürchte, er wird nicht mehr der Mann sein, der er vorher war.«
Marcus berichtete, was sich letzte Nacht zugetragen hatte und von den Folgen des Schlaganfalls. »Es ist gut möglich, dass er sich nicht mehr völlig erholt«, sagte Marcus, als er zum Ende kam. »Aber das wird die Zeit zeigen.«
»Darf ich ihn sehen?«, fragte Garrett.
Marcus betrachtete ihn. Lord Manning liebte seinen Neffen, selbst wenn er nicht mit seinem Lebenswandel einverstanden war, und Garrett schien eine tiefe Zuneigung zu seinem Onkel zu hegen. Er zuckte die Achseln. »Ich habe keine Einwände. Lassen Sie mich nach Deering läuten, damit er Sie nach oben bringt.«
»Einen Augenblick noch, bitte.«
»Natürlich. Worum geht es?«
Garrett verzog das Gesicht. »Ich bin mir nicht sicher.« Er wirkte
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