Sturm der Leidenschaft
sie während ihrer Hochzeitsreise in Paris in Auftrag gegeben hatte. Es war die gewagteste Robe, die sie jemals getragen hatte, und sie lächelte sich im Spiegel zu, als sie das Smaragdcollier und das dazu passende Armband umlegte, die Ohrringe befestigte. »Wie sehe ich aus?« fragte sie und drehte sich vor Clarissa übermütig um die eigene Achse.
»Nackt wie an dem Tag, an dem Sie geboren wurden«, entschied Clarissa mit einem kritischen Blick auf ihr Dekollete.
»Es ist ein wenig tiefer ausgeschnitten als das, was ich gemeinhin trage«, stimmte Whitney mit einem leisen Funkeln in den Augen zu, »aber ich glaube nicht, daß mein Mann mich in diesem Kleid ohne seine Begleitung irgendwohin gehen läßt.«
Umraschelt von grüner Seide schwebte Whitney wenig später in den Salon. Clayton goß sich gerade ein Glas Brandy ein. Seine breiten Schultern schienen seinen gutgeschnittenen blauen Rock über den schmalen Hosen fast zu sprengen. Er sah umwerfend gut aus. Er sah aber auch ungeheuer erzürnt aus, als sein Blick sie von Fuß bis Kopf musterte und an ihren schwellenden Brüsten hängenblieb.
»Hast du etwas Besonderes vor?« erkundigte er sich mit unheilverkündender Stimme.
»Ob ich etwas Besonderes vorhabe?« wiederholte Whitney scheinbar naiv-erstaunt. »Wir haben zugesagt, heute abend zu den Clifftons zu gehen. Ich hätte gern ein Glas Wein, wenn es dir nichts ausmacht«, fügte sie lächelnd hinzu.
»Dann hast du dir bedauerlicherweise umsonst so große Mühe mit deiner Garderobe gegeben«, knurrte er und riß die Weinkaraffe so abrupt vom Tablett, daß sie fast seiner Hand entglitten wäre, »denn wir werden nicht zu den Clifftons gehen.«
»Oh«, machte Whitney und trat auf ihn zu, um ihr Glas entgegenzunehmen. »Das ist wirklich bedauerlich, denn du läßt dir einen glanzvollen Abend entgehen. Ich finde, daß die Gesellschaften bei den Clifftons zu den amüsantesten .. .«
Betont langsam drehte sich Clayton zu ihr um. »Ich werde nicht zu diesem Ball gehen«, beschied er sie kühl. »Und du wirst heute abend nirgendwohin gehen. Hast du das verstanden, Whitney?«
»Die Worte habe ich sehr wohl verstanden«, gab Whitney zurück, nahm ihr Glas, drehte sich um und rauschte hinüber ins Speisezimmer.
Das Essen im kerzenbeleuchteten Raum verlief in bedrückendem Schweigen. Während des Desserts fiel Whitneys Blick auf seine Hand. Er trug den Rubinring nicht, den sie ihm zu ihrer Hochzeit geschenkt hatte. Bestürzt starrte sie auf den weißen Hautstreifen an seinem Finger. Seit ihrer Hochzeitsnacht hatte er ihn nie abgelegt.
Sie blickte auf und stellte fest, daß er sie mit fast zynischer Erheiterung beobachtete. Whitney war tief verletzt, aber dieses Gefühl war nichts gegen den Zorn, den sie empfand. Sie würde zu diesem Ball gehen, beschloß sie, und reckte energisch das Kinn.
Sie legte den Dessertlöffel beiseite und stand auf. »Ich gehe auf mein Zimmer. Gute Nacht«, sagte sie kühl. Diese Notlüge kam ihr relativ leicht über die Lippen, denn sie wollte verhindern, daß Clayton seinen Kutschern verbot, sie irgendwohin zu fahren.
Es war bereits nach ein Uhr morgens, aber in dem exklusiven Club, dem Clayton angehörte, spielte Zeit selten eine Rolle. Er hockte in seinem Sessel und brachte weder für die Unterhaltung um ihn herum noch für die Karten in seiner Hand großes Interesse auf. Er hatte eine Hexe geheiratet, die ihm unter die Haut gegangen war wie ein Stachel: Er schmerzte, solange er ihm im Fleisch saß, aber ebenso schmerzte es, ihn herauszuziehen. Immer wieder mußte er daran denken, wie verführerisch sie heute abend in dieser verdammten grünen Robe ausgesehen hatte. Er hatte tatsächlich ein Kribbeln in den Fingerspitzen verspürt, diese sanft schwellende Haut ihres Dekolletes zu berühren, und seine Lust war nahezu unerträglich gewesen. Lust - keine Liebe! Nein, was er für sie empfand, konnte er nicht mehr als Liebe bezeichnen. Alles, was er für Whitney empfand, war ein gelegentlicher Anflug von Verlangen.
»Wie schön, Sie zu sehen, Claymore«, rief William Baskerville herzlich und setzte sich Clayton gegenüber an den Tisch. »Eigentlich überrascht es mich, Sie hier zu treffen.«
»Warum denn das?« erkundigte sich Clayton desinteressiert.
»Sah gerade Ihre Frau auf dem Cliffton-Ball. Dachte, Sie würden gleichfalls dort sein«, erläuterte Baskerville. »Sie sah schlichtweg bezaubernd aus - das habe ich ihr auch gesagt.«
Diese in aller Unschuld hervorgebrachten Worte
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