Sturm der Seelen: Roman
es auf ihrer Seite des Walls auf den Boden gekracht, da sprang es auch schon wieder auf die Beine. Schwankend stand es da, während weißlicher Schleim aus der Wunde quoll, die der Speer in seinem Rumpf hinterlassen hatte. Er hatte seinen Unterbauch glatt durchstochen und war auf seinem Rücken knapp oberhalb der Hüfte wieder ausgetreten, und seine Artgenossen auf der anderen Seite des Walls gerieten nur noch mehr in Raserei, als sie den Geruch von Menschenund Reptilienblut witterten.
Darren fasste April an der Hüfte und zog sie zu sich heran. Ihre Blicke begegneten sich, und er sah die feinen, roten Rinnsale, die sich von der aufgeschlitzten Kopfhaut die Stirn hinunter bis über ihre Augen ergossen. Gleich darauf prallte sie mit unvermittelter Wucht gegen ihn, ihr Rücken spannte sich, und April warf ihren Kopf in den Nacken. Aus ihrem weit aufgerissenen Mund schoss eine Fontäne von Blut.
»Nein!«, brüllte Darren und versuchte, sie mit sich zu ziehen, aber sie hing an irgendetwas fest. Dann sah Darren, wie ihr Anorak sich auf Höhe des Bauches nach außen wölbte und eine spitze Kralle sich durch den Stoff hindurch bis in seinen Oberschenkel bohrte.
Darren schrie und zog sein Bein weg. Blut durchtränkte seine Hose, und er taumelte ein paar Schritte zurück, dann stolperte er und schlug rücklings auf den Boden. April schien sich vor ihm in die Luft zu erheben, ihre Füße schwebten mehrere Zentimeter über dem Boden, während ihre Beine schlaff herabhingen und dampfendes Blut aus ihrem Bauch auf den weißen Strand unter ihr tropfte. Die Klaue, die aus ihrer Mitte herausragte, drehte sich hin und her, während das Monster, das sie aufgespießt hatte, versuchte sie wieder freizubekommen und gleichzeitig möglichst viel Fleisch aus ihr herauszureißen.
»Bi… bi… bitte …«, stammelte April, dann sank ihr Kopf vornüber.
Darren sprang auf und rannte zu ihr. Sanft hob er ihr Kinn an, um ihr ein letztes Mal in die Augen zu sehen. Die Zeit um ihn herum schien stehenzubleiben. Wie in Zeitlupe schloss er sie fest in seine Arme, wodurch das Echsenmonster endlich seine Klaue freibekam. Darren legte seine Stirn auf die ihre und schaute in Aprils Augen, die so voller Blut waren, dass es wie Tränen über ihre Wangen floss.
»Bitte …«, hauchte sie kaum hörbar, als seine Lippen die ihren berührten. »Bring dich … in Sicherheit.«
In Darrens Mund vermischte sich Aprils Blut mit dem seinen, und Darren hatte das Gefühl, als wären sie eins.
»Ich lasse dich nicht im Stich«, flüsterte er ihr ins Ohr.
»Darren …«
»Ich liebe dich, April.«
Ein Hauch von einem Lächeln flog über ihre blutverschmierten Lippen, dann rollte Aprils Kopf zur Seite und sank auf seine Schulter. Darren spürte, wie ihr Blut bereits kalt wurde, und er sah die Echsenwesen von allen Seiten auf ihn zukommen. Doch anstatt wegzurennen, hielt er ihren Körper fest umklammert und presste ihn mit aller Kraft an sich. Dann schloss er seine Augen und legte seinen Kopf auf ihre Schulter, so wie sie es bei ihm getan hatte.
Klauen zischten durch die Luft.
Kiefer schnappten zu.
Doch Darren ließ sie nicht los, auch dann nicht, als die Monster ihm bereits das Fleisch von den Knochen rissen.
Nicht einmal der Tod konnte sie trennen.
LXI
MORMON TEARS
Klauen schnitten durch Phoenix’ Jacke und das Fleisch auf seiner Brust, doch er ließ sich einfach nach hinten umfallen, um sich ihren Hieben zu entziehen. Der Schwarm lief Amok. Selbst auf dem Boden festgenagelt zuckten sie noch spastisch, genau so wie er es von seinem Kellerverlies in Erinnerung hatte, auch wenn es sich anfühlte, als wäre das vor einer Million Jahren gewesen. Er kämpfte sich wieder auf die Beine, und als er hinauf zu der Felswand blickte, sah er die weißen Falken, die wie auf ein gemeinsames Kommando hin ihre Schwingen ausbreiteten und sich in die Luft erhoben. Und gerade als sie sich mit gespreizten Krallen und weit aufgerissenen Schnäbeln in das Labyrinth aus Speeren stürzten, flutete hinter ihnen der Schwarm über die Felskante wie eine schwarze Welle.
Wie ein Tsunami jagte der Schwarm über die Felsen hinweg und stürzte sich über die Klippen hinunter auf den Strand.
Phoenix duckte sich instinktiv und rannte zur Höhle. Die Falken schossen über seinen Kopf hinweg und stürzten sich auf die Echsenwesen, die über den schneebedeckten Strand auf ihn zugerast kamen. Fänge bohrten sich in ihre Reptilienhaut, Schnäbel schlugen nach ihren Augen.
Da sah
Weitere Kostenlose Bücher