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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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Augen. Dann ließ er sie los und schob sie in Richtung des Höhleneingangs.
    »Lauf!«, schrie er ihr noch nach, während er sich neben Ray in den Schnee kniete.
    Mare griff mit beiden Armen unter Rays Achselhöhlen hindurch und zog ihn stöhnend auf die Füße, dann legte er sich seinen Arm um die Schulter und presste mit seiner freien Hand Rays Hüfte gegen die seine.
    »Jetzt sind nur noch wir zwei übrig, Kumpel« sagte er, auch wenn er so gut wie sicher war, dass Ray ihn nicht hören konnte. Rays Kopf hing vornübergesunken auf der Brust, und das bisschen Haut, das zwischen all dem Blut hervorlugte, war weiß und durchschimmernd wie das Eis auf dem See. Rays Beine hingen schlaff herab, und Mare musste den leblosen Körper unter größten Anstrengungen hinter sich her durch den Schnee ziehen.
    Mare dachte kurz daran, Ray einfach liegen zu lassen, doch schon im nächsten Moment sah er vor seinem geistigen Auge, wie diese Monster über sein Fleisch herfielen, und verdrängte beide Gedanken schnell wieder. Ray hatte sein Augenlicht geopfert, und so wie es aussah vielleicht sogar noch mehr, für Jake und für alle anderen. Was für ein Mensch wäre er, wenn er nicht bereit war, dasselbe für ihn zu tun?
    Aber er war doch selbst noch ein halbes Kind.
    Nein … Mit den Tränen, die er über der aufgeblähten Leiche seines Vaters vergossen hatte, hatte er auch den letzten Rest des Kindes in ihm hinter sich gelassen.
    Über ihm stieß ein großer weißer Vogel einen gellenden Schrei aus, und Mare duckte sich, um nicht von seinen weit gespreizten Fängen erwischt zu werden. Er musste sich nicht erst umdrehen, um zu wissen, wen der Vogel da angriff. Das Zischen hinter ihm war geradezu infernalisch, und der Sand, der unter den stampfenden Füßen seiner Verfolger aufspritzte, bombardierte seinen Rücken, als feuere jemand mit einem Schrotgewehr auf ihn. Nichts würde sie aufhalten.
    Jill blieb unvermittelt stehen und wirbelte mit weit aufgerissenen Augen zu ihm herum, als sie sah, wie die Flut der Echsenmonster über den Deich hinwegschwappte, als wäre er gar nicht da.
    »Lauf weiter!«, schrie Mare.
    Jill blieb einen Moment lang unbeweglich stehen, dann schüttelte sie den Kopf und rannte auf ihn zu.
    »Nein!«, brüllte er.
    Plötzlich wurde der Himmel über ihnen dunkel.
    Jill legte sich Rays anderen Arm über die Schulter, und gemeinsam rannten sie weiter auf den Höhleneingang zu, während es von oben schwarze Echsenmonster regnete. Mit fiebrigem Fauchen und Kreischen fielen sie mitten hinein in den Wald aus Speeren. Festgenagelt wie Schmetterlinge in einem Schaukasten, schlugen die Monster nach ihren Armen und Beinen, aber zumindest den schnappenden Kiefern hinter ihnen waren sie fürs Erste entronnen.
    Der Schwarm ging auf sie nieder wie ein Meteoritenschauer, nur um von den aus dem Boden ragenden Pflöcken gepfählt zu werden und jene, die schneller gewesen waren, unter sich zu begraben. Mare und Jill wurden von allen Seiten mit Holzsplittern bombardiert, während die zuckenden Körper um sie herum sich immer noch höher stapelten und den Schnee auf dem Strand in eine einzige blutige Masse verwandelten. Doch hinter ihnen jagten bereits die anderen heran, während sie sich im Zickzack durch das Gewimmel aus Leichen schlängelten und gleichzeitig den Klauen der noch Lebenden ausweichen mussten, die ihre Kleidung zerfetzten und ihre Haut aufritzten. Mare brüllte vor Schmerz, doch er rannte weiter, einfach nur weiter, weil alles andere den unweigerlichen Tod bedeutet hätte. Selbst wenn ihm sein eigenes Leben egal gewesen wäre, hätte er niemals zugelassen, dass Jill etwas geschah – und wenn das bedeutete, dass diese Bestien ihn in Stücke rissen, würde er auch dieses Schicksal ertragen. Alles, was sie jetzt tun mussten, war, den Tunnel am Ende der Höhle zu erreichen. Dort konnten sie sich verbarrikadieren, bis … bis was? Bis in alle Ewigkeit?
    Mare riss für einen kurzen Moment seinen Blick von den um ihn herum zuckenden Klauen und Kiefern los und sah, wie Evelyn mit Jake gerade in der Dunkelheit des Tunnels verschwand. Vor ihm dirigierte Phoenix seine Schwester sicher durch das Gemetzel und ließ sich aufschneiden wie einen Truthahn, während er Missy mit seinem eigenen Körper beschützte. Dieser Anblick veränderte Mares Meinung über den Albino-Jungen grundlegend.
    Kaum hatte Phoenix Missy durch den Höhleneingang geschoben, da machte er auch schon wieder kehrt. Mare konnte nicht fassen, aus wie vielen

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