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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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Lieferwagens stand und versuchte, die umstehenden Männer und Frauen für seine Sache zu gewinnen. Er versuchte gar nicht mehr, seine Schrotflinte zu verstecken. Selbst die anderen schienen beruhigt über ihr Vorhandensein, und er musste zugeben, dass eine gewisse Autorität von ihr ausging. Seine Autorität. Er und seine Frau Carrie hatten in ihrem speziell isolierten Zelt in ihren Schlafsäcken gelegen, als die Moskitos über das Hochland herfielen, und sie konnten den Ansturm der Insekten auf die Außenhaut ihres Sechs-Mann-Zeltes hören. Nur einige wenige hatten es bis ins Innere ihrer Zuflucht geschafft, und die dicke Außenhaut ihrer wasserdichten Schlafsäcke konnten sie einfach nicht durchdringen. Carries Cousine, Jessy, und ihr lausiger Freund, Sam, hatten in ihrem Anhänger, den Gray und Carrie jetzt ihr Eigen nennen konnten, nicht so viel Glück. Schreiend waren sie ins Freie gerannt auf der Flucht vor den Moskitos, die durch die Lüftungsöffnungen in den Camper eingedrungen waren. Ihre nicht enden wollenden Schreie waren unerträglich gewesen, bis sie schließlich von dem ohrenbetäubenden Geräusch der Insektenflügel übertönt worden waren. Gray und Carrie warteten gute zehn Minuten lang, bevor sie sich wieder nach draußen wagten, um nachzusehen, was geschehen war. Die ganze Zeit über hatte Gray seine von Weinkrämpfen geschüttelte Frau, die hinausrennen und Jessie retten wollte, mit aller Kraft zurückhalten müssen, und dann war es zu spät gewesen. Viel zu spät. Schwarz und aufgedunsen lagen ihre Leichen mit dem Gesicht nach unten im Schlamm neben dem kleinen Steinkreis ihres erloschenen Lagerfeuers. Gray stupste sie mit dem Ende eines langen Stocks an, und eine zähe, weiße Flüssigkeit, die nach Krankheit und Verwesung stank, quoll aus ihren Körpern. Er hatte schon viele tote Tiere gesehen und einmal sogar die Leiche eines Menschen, aber keiner der Kadaver hatte auch nur im Entferntesten so ausgesehen wie diese, unter deren pechschwarzer Haut jetzt bläulich verfärbte Adern hervorzutreten schienen. Carrie hatte ihn angefleht, die sterblichen Überreste in den Campinganhänger zu schaffen und sie nach Billings mitzunehmen. Aber Gray ahnte, dass sie mit dem, was dieses Aufquellen verursachte, lieber nichts zu tun haben wollten. Stattdessen häufte er nur ein paar Schaufeln Erde über sie, um die Ameisen abzuhalten, bis sie mit der Polizei wieder zurück waren, aber Carrie war das zu wenig, und sie sprach mehrere Stunden lang kein Wort mehr mit ihm. Mittlerweile sprach sie mit so gut wie niemandem mehr. Sie saß einfach nur da und starrte ins Leere. Nur langsam schien sie wieder aus ihrer Trance zu erwachen, ab und zu blitzte etwas Leben in ihren Augen auf, vor allem wenn ihr Blick zufällig auf den Mann auf der Motorhaube des alten Ford fiel.
    Gray musste zugeben, dass der Mann ein meisterhafter Redner war, aber er war in seinem Leben schon viel zu vielen von seinem Schlag begegnet. Sie waren wahre Genies darin, Menschen auf ihre Seite zu ziehen, aber letztendlich verfolgten sie doch nur ihre eigenen Ziele. Dennoch konnte er beim besten Willen nicht sagen, was die verborgenen Beweggründe dieses Mannes sein mochten. Noch nicht. Vor diesem letzten Campingtrip war er Schadenssachbearbeiter bei der größten privaten Versicherung in Montana gewesen, im Umgang mit Rechtsanwälten kannte er sich also bestens aus. Und dieser Mann war aalglatt, ein echter Seelenverkäufer. Selbst in seiner dreckigen Kleidung und mit seinem verschmierten Gesicht sah er immer noch aus wie frisch aus dem Ei gepellt. Das Wort Politiker schien ihm wie auf die Stirn geschrieben. Und auch wenn Gray eine sehr dezidierte Meinung über Menschen dieses Berufsstandes hatte, wusste er doch, dass sie ein notwendiges Übel waren.
    »Wir wurden hier in Mormon Tears zusammengerufen, und wir alle wussten, dass wir bald unsere letzte Schlacht würden schlagen müssen«, tönte der Redner, und sein Gesicht wurde immer röter, je lauter er schrie. »Verbündet euch mit mir, und wir werden siegen, und eine neue Ära in der Geschichte der Menschheit wird beginnen!«
    Jubel erhob sich unter den in etwa vierzig Zuhörern, und Gray konnte ein anerkennendes Grinsen nicht unterdrücken. Dieser Mann wusste offensichtlich, wie man eine Menge aufheizt.
    Richard kletterte von der Motorhaube herunter und wurde sofort von den Leuten umringt. Sie klopften ihm auf die Schulter und bombardierten ihn mit Fragen, die er mit nichts anderem als einem

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