Sturm der Seelen: Roman
bestens einstudierten Lächeln beantwortete. Woher er wisse, dass diese Kreaturen sie erneut angreifen würden. Was sie tun sollten, um sich darauf vorzubereiten. Er hatte keine Ahnung. Zumindest noch nicht. Aber solange es den Anschein hatte, er wüsste es, müsste es ihm auch gelingen, die Illusion seiner Allwissenheit aufrechtzuerhalten.
Gray hängte sich seine Schrotflinte über die Schulter. Vielleicht war es an der Zeit, sich vorzustellen. Er stand auf und schlängelte sich durch die Menge, bis er direkt vor Richard stand.
»Gray Ciccerelli«, sagte er und fand seine Begrüßung mit jenem genau einstudierten Handschlag beantwortet, den er erwartet hatte.
»Richard Robinson.« An dem Ausdruck in Grays Augen erkannte Richard sofort, dass der Mann eine harte Nuss war. Aber gerade seine Skepsis verlieh diesem Mann eine ganz besondere Kraft. Richard wusste, dass er ihn brauchen würde.
»Vertrauter Name. Kenne ich Sie irgendwo her?«
»Ich bin Kongressabgeordneter. Kalifornien. West Hollywood und Beverly Hills, um genauer zu sein.«
»Ja, das ist es wahrscheinlich«, erwiderte Gray und ließ seine Hand los. »Also, wie lautet Ihr Plan, Boss? Jetzt, da Sie uns anführen, denke ich, dass es an der Zeit wäre, an die Arbeit zu gehen.«
Richard wusste, dass der Mann immer noch dabei war, ihn zu taxieren, und mit seinen Floskeln nur einen Köder auslegte, um zu sehen, wie Richard darauf reagierte. Manchmal musste man dem Gegner zunächst ein Stück des eigenen Territoriums abtreten, um ihn besiegen zu können.
»Der Winter bricht bald herein, und wir müssen eine Unterkunft für all die Menschen hier finden. Vielleicht sollten wir nach Salt Lake City fahren und sehen, ob wir es wieder aufbauen können.« Er machte eine Pause. »Klingt das wie eine Sache, für die Sie sich begeistern könnten?«
»Ich werde darüber nachdenken«, erwiderte Gray. Er wurde nicht recht schlau aus dem Kerl, aber sobald er versuchen sollte, ihn zu benutzen, würde er es merken.
»Tun Sie das. Und nun … es war mir ein Vergnügen, Sie besser kennenzulernen, Gray«, sagte Richard und klopfte ihm auf die Schulter. Dann drehte er sich zu den anderen um, die ihn dazu beglückwünschen wollten, dass er sich so schnell zum Anführer ihrer Gruppe aufgeschwungen hatte.
»Und, Richard!«, rief Gray Robinson nach, der sich noch einmal zu ihm umdrehte. »Eines wollte ich Sie noch fragen«, sagte er und spielte mit den Fingern mit dem Unhängegurt seiner Schrotflinte. »Woher wissen Sie eigentlich, dass diese Kreaturen uns angreifen werden?«
Richard kaute einen Moment lang auf seiner Unterlippe herum. Vor ihm stand ein Mann, der sich wohl nicht mit einem Lächeln als Antwort zufriedengeben würde.
»Ich habe es in meinen Träumen gesehen«, sagte er schließlich, bevor die Menge ihn wohlwollend in Richtung des Lagerfeuers dirigierte.
Ray blickte Richard nach, während er davonschlenderte. Dieser letzte Satz hatte ihn kalt erwischt. Er war eigentlich kein Esoteriker, aber die Erlebnisse der letzten paar Tage hatten ihn dazu gebracht, seine Einstellung zu überdenken. Er war nicht mehr in der Kirche gewesen, seit ihn seine Eltern das letzte Mal dazu gezwungen hatten; damals war er noch ein Kind gewesen. Er glaubte auch nicht an Aliens, und allein den Gedanken, es könnte so etwas wie Geister geben, fand er absolut lächerlich. Dennoch war er nur aufgrund einer vagen Vorahnung hierhergekommen. Im Lauf der Jahre hatte er gelernt, seinem Instinkt zu vertrauen, und deshalb hatte er auch erst gar nicht versucht, den wahren Grund herauszufinden, warum er scheinbar unmotiviert alles hinter sich gelassen und bis hierher zum Großen Salzsee gefahren war. Es hatte begonnen als Suche nach Hilfe für Carries Cousine. Sie waren von Stadt zu Stadt gefahren, und schließlich war daraus eine Suche nach anderen Überlebenden geworden. Es hatte sich einfach so entwickelt, er hatte sich kein einziges Mal bewusst gefragt, wo er als Nächstes hinfahren und wo er letztendlich landen würde. Und jetzt, da er zum ersten Mal nüchtern die Tatsachen betrachtete, konnte er da wirklich ausschließen, dass sie alle von einer göttlichen Kraft, die größer war als sie selbst, hierhergeführt worden waren? Und wenn er diesem Gedankengang weiter folgte, war es dann nicht auch möglich, dass dieser Richard Robinson in seinen Träumen die Zukunft voraussehen konnte?
Er schüttelte den Kopf. Es gefiel ihm nicht, in welche Richtung seine Überlegungen gingen. Es gab für
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