Sturm der Seelen: Roman
suchte aus dem Augenwinkel die Menge ab, bis er gefunden hatte, wonach er suchte. Nachdem Richard seine Instruktionen beendet hatte, sah er dem muskulösen Mann in die Augen, nickte kurz und schickte ihn mit einem Schulterklopfen los.
Garrett durchquerte die Lobby und spürte, wie seine Brust vor Stolz anschwoll. Er war in seinem Leben schon alles Mögliche gewesen, eine kurze Zeit lang sogar so etwas wie ein Star, als er für sein College Football spielte, aber niemals auch nur annähernd so etwas wie ein VIP, einer, der zu einem handverlesenen Kreis gehört. Richard zählte auf ihn, und er würde ihn auf keinen Fall im Stich lassen.
»Verzeihung«, sagte er zu dem Mann in dem Army-Tarnanzug, der immer noch auf seinem Stuhl saß, als warte er darauf, dass jemand ihm sein Essen bringt oder das Gedränge etwas nachlässt. Der Mann strahlte etwas Depressives aus, keine bloße Traurigkeit, sondern eine fast schon körperliche Erschöpfung, als blute er langsam aus. »Ich bin Garrett.« Er streckte seine Hand aus.
»Peckham«, gab der Soldat zurück. Sein Händedruck war erschütternd lasch. Seine pechschwarzen, eingesunkenen Augenhöhlen strahlten eine Müdigkeit aus, die Garrett richtiggehend beunruhigte. Der Mann wirkte vollkommen antriebslos, fast so, als wäre er auf Drogen, und auch wenn Garrett kein Arzt war, erkannte er die Anzeichen seines schweren Schockzustands sofort.
»Mr. Robinson wäre sehr erfreut, wenn Sie sich ein paar Minuten Zeit nehmen könnten, um sich mit ihm im dritten Stock zu treffen.«
»Ich muss etwas essen.«
»Wir werden uns nachher darum kümmern, dass Sie genügend zu essen bekommen.«
Peckham musterte Garrett. Dieser geheimnistuerische Ton gefiel ihm ganz und gar nicht. Wenn es eines gab, das er in all den Jahren bei Onkel Sams Truppe gelernt hatte, dann war es, jede Art von umstürzlerischen Machenschaften sofort zu wittern. Dieses Treffen stank förmlich nach einer Geheimoperation.
Peckham schaute durch die Tür des Restaurants und beobachtete die Männer und Frauen dabei, wie sie sich um die mit Brötchen und anderem Gebäck gefüllten Körbe herum versammelten. Das Letzte, was er im Moment wollte, war, in die Angelegenheiten von jemand anderem mit hineingezogen zu werden, aber er musste zugeben, dies war das erste Mal seit Tagen, dass etwas ihn neugierig machte, so neugierig, dass dieser ständige Drang, einfach wegzurennen, zumindest für den Moment ausgeblendet war.
»Im dritten Stock?«, fragte Peckham.
Garrett nickte.
»Von mir aus«, meinte Peckham, klopfte sich mit den Händen auf die Oberschenkel und erhob sich aus seinem Stuhl.
»Ich sehe Sie dann oben«, sagte Garrett und drehte sich weg. Die Treppe würde Peckham wohl auch alleine finden. Er ging weiter ins Restaurant und inspizierte die Menge, bis er die anderen Zielpersonen ausgemacht hatte. Dann bahnte er sich seinen Weg durch den Mob, der sich zufrieden alles Essbare in den Mund stopfte, dessen er habhaft werden konnte, bis er direkt neben dem kleinen Jungen und seiner Mutter stand. »Mr. Robinson würde gerne mit Ihnen sprechen.«
Susan drehte sich zu ihm um. Im ersten Moment sah sie fast ängstlich aus, entspannte sich aber schnell wieder. Irgendwann war ihr klar geworden, dass es wohl so weit kommen würde, und sie war fest entschlossen alles zu tun, um Jake zu beschützen.
»Können Sie inzwischen bei meinem Sohn bleiben?«, fragte sie.
Garrett sah sie verwirrt an. »Mr. Robinson würde Sie gerne beide sehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Warum?«
»Er wird es Ihnen erklären, wenn wir bei ihm sind.«
Susan musterte Garrett vorsichtig. Was verheimlichte er ihr?
»Komm, Jake«, sagte sie schließlich und nahm ihren Sohn bei der Hand.
Jake drehte sich um, sein Gesicht über und über mit Krümeln bedeckt. Dann schloss er blitzschnell die Augen und schien einen Schrei zu unterdrücken.
Der Mann, der da vor ihm stand, war überströmt von Blut, das aus tiefen Fleischwunden in seinem Gesicht und auf seiner Brust quoll, sein Hemd war völlig durchnässt und zu rotbraunen Fetzen zerrissen, und seine Mutter … ihr Hinterkopf war nur noch ein roter Krater, aus dem das Blut ungehindert über ihren Rücken sprudelte.
Als Jake seine Augen öffnete, sah alles wieder ganz normal aus, und seine Mutter ging mit dem Mann bereits in Richtung Ausgang, als hätten sie seine Reaktion gar nicht bemerkt.
»Bitte, Mammi«, wimmerte er. »Ich will nicht mitgehen. Bitte, lass mich nicht mitgehen.«
Doch entweder
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