Sturm der Seelen: Roman
Gedanke hatte seiner Schrotflinte gegolten, aber der eben erst neu ernannte Sicherheitschef hatte sie bereits eingezogen.
»Alles in Ordnung bei dir?«, fragte der Mann. Er war ein wenig ungehobelt, hatte im Grunde genommen aber ein freundliches Gemüt. Ein glatzköpfiger Kerl, dessen Lächeln in krassem Widerspruch zu dem gefängnisgrünen Schlangen-Tattoo auf seinem Hals stand. »Wir haben so viel Holz auf dem Hänger, dass wir damit ein zweites Hotel um unser jetziges herumbauen könnten, und genug Rohre für alle nur erdenklichen Installationsarbeiten.«
»Was ist mit dem Stacheldraht?«
»Der war auf dem anderen Truck. Wahrscheinlich sind sie schon dabei, ihn zu verlegen.«
»Und die Generatoren?«
»Zerbrich dir nicht ständig den Kopf, Mann. Bloß weil sie dich zum Anschaffer gemacht haben, heißt das nicht, dass wir anderen alle bescheuert sind.«
»Tut mir leid, ich …«
Der Glatzkopf lachte. »Lass gut sein, Mann. Hab dich nur ein bisschen veräppelt. Ich hol dir’n Bier, wenn wir wieder zurück sind. Du solltest lernen, dich’n bisschen zu entspannen. Die Welt steht ja immerhin noch.«
Gray lächelte gezwungen.
»Schon besser, Mann. Jetzt lass uns zusehen, dass wir wieder ins Warme kommen, bevor wir hier noch Eiswürfel pinkeln.«
Gray nickte und kletterte auf den Fahrersitz, während der andere mit einem lauten Krachen die Ladeluke schloss, dann kam auch er in die Fahrerkabine geklettert.
»Teufel, was für’n Sturm«, sagte er, während die Wischer mühsam gegen den Schnee auf der Windschutzscheibe ankämpften. Auf dem Hotelparkplatz hatten jede Menge Lastwagen gestanden, die meisten davon waren jedoch kaputt. Aus irgendeinem Grund waren ausgerechnet die ältesten Schrotthaufen die einzigen Fahrzeuge gewesen, die anspringen wollten. Irgendjemand hatte etwas von einem elektromagnetischen Impuls gesagt, der alles zerstörte, das mit Computerchips funktionierte. Klang zumindest logisch. Der Campinganhänger, mit dem sie hierhergekommen waren, war selbst eher ein Museumsstück, und jetzt, da er darüber nachdachte, fiel Gray auf, dass dies auch auf jedes andere Fahrzeug aus ihrem Konvoi zutraf. Schließlich fragte er sich, ob es überhaupt Sinn hatte, es mit den Generatoren zu versuchen, und ob sie in einer Höhle mit einem warmen Feuer nicht besser dran wären.
Bei diesem Gedanken musste Gray laut lachen.
»Was is’n so komisch?«, fragte der Mann neben ihm, während Gray abbremste, um den Laster durch das Tor vor dem Parkplatz des Hotels zu manövrieren.
»Alles.«
»Na, die Einstellung gefällt mir schon besser«, gab sein Beifahrer kichernd zurück. »Oscar, übrigens. Oscar Dominguez.«
»Gray Ciccerelli.« Er streckte seine Hand über die Schaltkonsole in seine Richtung, und Oscar gab ihm einen kräftigen Händedruck.
Gray erkannte seine Schrotflinte, die durch die Eisenstäbe des Gittertores auf sie gerichtet war. Der Mann in dem Tarnanzug zielte genau auf die Windschutzscheibe. Eine geradezu barbarische Geste. Wenn sie vorgehabt hätten, das Hotel zu erstürmen, hätte Gray nur das Gaspedal durchdrücken und das Tor plattwalzen müssen. Das wusste dieser Typ auf der anderen Seite des Tors genauso gut wie er. Was er da machte, war nichts anderes als eine plumpe Machtdemonstration, um ihnen einerseits zu zeigen, wer hier das Sagen hatte, und ihnen andererseits ein trügerisches Gefühle von Sicherheit zu vermitteln.
Peckham ließ den Lauf der Schrotflinte sinken und entriegelte das Tor, um sie hineinzulassen. Alle drehten sich um und sahen zu, wie der Sattelschlepper auf den Parkplatz fuhr. Ungefähr ein Dutzend Männer stand auf Stühlen aus der Lobby und umwickelte die Krone des Zauns mit so viel Stacheldraht, dass es aussah, als würde man bei dem Versuch, darüber hinwegzuklettern, unweigerlich in Stücke gerissen. Er wusste nicht, wie lange sie schon hier draußen waren mit ihren offensichtlich erst vor kurzem organisierten Parkas und Handschuhen, aber mit der Vorderseite des Parkplatzes waren sie schon so gut wie fertig, und die Ersten machten sich bereits auf der Rückseite des Gebäudes an die Arbeit.
Ein Klopfen am Fahrerfenster ließ Gray herumfahren. Er sah, wie Peckham wieder mit seinem Gewehr herumfuchtelte und ihm bedeutete, das Fenster zu öffnen.
»Sie müssen ganz schön frieren hier draußen«, sagte er und tat, wie ihm geheißen.
»Kommen noch mehr Laster?«, fragte Peckham.
»Nein, wir sind die Letzten.«
»Ladung?«
»Wir haben ungefähr eine Million
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