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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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Gesicht. Seine geradezu kindliche Unschuld, dieses vollkommene Fehlen jeglicher Fähigkeit, sich zu verstellen, hatte etwas ungeheuer Anziehendes. Alle anderen Jungen, die sie bisher gekannt hatte, spielten ständig Theater. Immer versuchten sie, jemand anderer zu sein, nur nicht der, der sie waren. Phoenix hingegen war dazu gar nicht in der Lage, er war nur er selbst. Er trug sein Herz auf der Zunge, und jede Gefühlsregung war ihm sofort im Gesicht abzulesen. Und das machte ihn in Missys Augen nur noch unwiderstehlicher.
    »Klar. Ich hab nur geschaut, wie die anderen unten am Strand vorankommen.«
    »Nicht so gut, wie du gehofft hast, wie mir scheint.«
    »Sie arbeiten sehr hart …«, meinte Phoenix und wischte sich die Haare aus dem Gesicht.
    »Hier«, sagte Missy, zog einen Haargummi aus ihrer Tasche und machte ihm einen Pferdeschwanz, was mit seinen zerzausten und verknoteten Haaren gar nicht so leicht war. Den Rest der widerspenstigen Strähnen klemmte sie so gut es ging hinter seine Ohren. »So ist’s besser, glaub ich.«
    »Wie kannst du nur so offen und unbeschwert sein, vor allem angesichts der Lage, in der wir uns befinden?«, fragte Phoenix und blickte ihr eindringlich in die Augen.
    »Was wäre denn die Alternative?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Phoenix und ergriff ihre Hand. Missy spürte, wie seine Wärme in ihren ganzen Arm ausstrahlte.
    »Wir können versuchen, das Beste aus unserem Leben zu machen, oder uns in unser Schicksal ergeben.«
    »Du meinst sterben.«
    »Nun, wir müssen alle eines Tages mal sterben, oder etwa nicht? Man muss einfach aus jedem Moment das Beste machen.«
    »Du bist noch überwältigender als in meinen Träumen.«
    Er spürte noch kurz die Wärme ihres Atems, dann küsste sie ihn. Ihre Lebensenergie durchströmte ihn, und er spürte ein geradezu elektrisches Kitzeln in seinem ganzen Körper. Dann schlang sie ihre Arme um ihn, jedes einzelne der feinen Härchen in seinem Nacken richtete sich auf. Phoenix erwiderte ihre Umarmung, zog sie ganz dicht an sich heran, bis ihre Hüften verschmolzen. Es war das schönste Gefühl, das ihm je in seinem Leben zuteilgeworden war, so vollkommen anders als das, was er gefühlt hatte, wenn der Schwarm sich auf ihn stürzte, um ihm seine Energie auszusaugen. Missy hingegen gab ihm Kraft, und ihrer beider Energien vereinigten sich wie zu einer Supernova. Schließlich trennten sich ihre Lippen wieder. Missys Augen waren immer noch tief in die seinen versunken, und Phoenix hatte das Gefühl, als nehme sie einen Teil von ihm mit sich.
    »Danke«, flüsterte Phoenix.
    »Du brauchst dich nicht zu bedanken«, sagte Missy mit einem verlegenen Lächeln. »Ich hatte langsam den Eindruck, wenn ich es nicht tue, wird es nie passieren.«
    »Das war der unglaublichste Moment meines Lebens.«
    »Geht mir genauso.«
    »Können wir das irgendwann wieder machen?«
    »Ich würde meinen, dass deine Zukunft noch mehr solcher Momente für dich bereithält.«
    Jemand räusperte sich. Phoenix und Missy erschraken dermaßen, dass sie sofort voneinander abließen und dastanden wie zwei Kinder, die etwas angestellt hatten.
    »Ähm … tut mir leid, wenn ich euch unterbreche«, meinte Mare mit einem Grinsen, das so breit war, dass es jeden Moment seine Wangen zu zerreißen schien. »Wenn mir nicht viel zu kalt wäre, um Witze zu reißen, würde ich euch beiden ja empfehlen, euch schleunigst ein Bett zu suchen.«
    »Was willst du, Mare?«, fragte Missy.
    »Noch mehr von diesen Holzstangen. Das heißt … wenn ihr ein bisschen von eurer kostbaren Zeit dafür opfern könntet.«
    Missy wollte Mare gerade erklären, dass er doch erst mal den Stapel, den sie gerade erst herangeschleppt hatten, nehmen könnte, doch als sie auf den Boden blickte, merkte sie, dass Mare das schon erledigt hatte. Wie lange hatten Phoenix und sie sich geküsst? Sie hätte gedacht, es wäre maximal eine Minute gewesen …
    Draußen vor der Höhle lagen noch ein paar Zentimeter mehr Schnee, und der Schutzwall war mittlerweile so hoch, dass die anderen dahinter fast nicht mehr zu sehen waren. Der Pick-up hatte aufgehört, Abgaswolken in die Luft zu blasen. Offensichtlich war auch der letzte Tropfen Benzin aufgebraucht. Überall auf dem Strand ragten Holzspieße aus dem Boden, ein Irrgarten, der so dicht war, dass man kaum noch hindurchkam.
    Missy blickte Phoenix fragend an, der jedoch genauso verwirrt wirkte wie sie selbst.
    »Ich dachte …« Doch Phoenix brachte sie mit einem Kuss zum

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