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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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habe ich gesehen, wie ich auf dem Strand stand, mit einer Wand aus Schnee hinter mir, und durch den Sturm hindurch hinaus auf diese Insel im See gestarrt habe. Ich sah ein Feuer oder zumindest den Rauch von einem großen Feuer auf der Insel. Der See war komplett zugefroren, und auf dem Eis lag über ein Meter Schnee. Ich weiß nicht genau, was dort vor sich ging, aber ich konnte … brennendes Menschenfleisch riechen.«
    Alle saßen einen Moment lang stumm da. Manche starrten ins Feuer, manche sahen überall hin, bloß nicht in die Flammen vor ihren Gesichtern.
    »Sie werden kommen. Im Schutz des Sturms der Seelen«, sagte Phoenix schließlich.
    Jill sah ihn blinzelnd an. »Das ist genau das, was ich in meiner Vision in der Kammer dort oben gesehen habe. Dort, wo die Frau eingemauert wurde. Lebendig. Ist das da draußen vielleicht schon dieser Sturm der Seelen?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Phoenix. »Aber wir wissen, dass sie bald kommen werden. Also könnte es sein. Es wäre wesentlich leichter, wenn ich wüsste, warum er Sturm der Seelen heißt.«
    »Ob er das schon ist oder nicht, ist irrelevant«, warf Adam ein. »Wir müssen uns vorbereiten, so oder so. Wenn sie uns kalt erwischen, sind wir so gut wie tot.«
    »Danke, Dr. Sonnenschein«, meinte Evelyn. Sie stand auf und massierte einen Knoten in ihren Schultern. Dieses ständige Auf-kalten-Felsen-Herumsitzen begann seinen Tribut zu fordern. »Nach diesem fröhlichen Weckruf denke ich, wir sollten uns besser an die Arbeit machen.«
    »Wir wissen ja noch nicht einmal, wo wir anfangen sollen«, entgegnete Adam.
    »Nun, auf jeden Fall nicht hier drinnen, oder?«, erwiderte Evelyn und zwinkerte Adam zu.
    Adam starrte ihr hinterher, während sie die steinerne Treppe hinaufging.
    »Du kannst deinen Mund jetzt wieder zumachen«, flüsterte Norman und gab Adam einen Klaps auf die Schulter.
    »Hat diese Frau gerade meine Autorität in Frage gestellt?«
    »Das hat sie, Kumpel, und auf ziemlich charmante Art.«
    Die anderen folgten Evelyn bereits die Steinstufen hinauf, hinein in den stockfinsteren Tunnel, der zurück zur Außenwelt führte. Adam ging als Letzter, immer noch wie gebannt von Evelyns Zwinkern. Es war seltsam, auch mal etwas anderes als Angst und Verzweiflung zu empfinden. Aber was genau empfand er eigentlich? Evelyn war zweifellos eine attraktive Frau, aber war es in einer Situation wie dieser überhaupt möglich, so etwas wie Gefühle zu entwickeln? Adam konnte es sich nicht leisten, sich derlei Gedankenspielen hinzugeben. Die anderen verließen sich auf ihn, nicht nur darauf, dass er sie anführen würde, sondern auch darauf, dass er dafür Sorge trug, sie nicht alle zu Tode kommen zu lassen. Vielleicht war es auch der Schlafentzug, der ihn langsam übermannte. Bei Gott, wann hatte er zum letzten Mal länger als nur ein, zwei Stunden am Stück …?
    Adam stieß von hinten gegen Norman, den er in der Düsternis vollkommen übersehen hatte. Sie waren fast schon bei der Höhle, wie der eisige Wind bewies, der ihnen entgegenschlug und Schneeflocken in Adams Haar blies.
    »Wie lange waren wir bloß dort unten?«, kam Evelyns Stimme von vorn.
    »Warum, was ist denn los?«, fragte Adam und stellte sich auf die Zehenspitzen, um über Normans Schultern hinweg etwas erkennen zu können.
    Langsam gingen sie weiter, und mit jedem einzelnen Schritt fiel die Temperatur noch tiefer. Adam sah, wie sich der Atem der anderen vor ihm wie zu einer Nebelwolke verdichtete. Die Feuchtigkeit auf seinen Lippen schien jedes Mal zu gefrieren, bevor er ausatmete, die Wärme seiner Atemluft sofort zu Eiskristallen zu erstarren. Als er schließlich die Höhle betrat, standen die anderen bereits zusammengedrängt am Eingang und starrten hinaus auf den See. Das Schneetreiben war mittlerweile so dicht, dass es aussah, als hinge ein weißes Tuch vor dem Himmel, das sich unter dem Peitschen des brüllenden Windes aufblähte, als würde es jeden Moment zerreißen.
    »Mannomann«, murmelte Mare, zog die Arme an die Brust und trat hinaus aus dem Schutz der Felsen. Der Wind traf ihn wie ein Faustschlag, er stolperte und fand sich kniend in einer Schneedecke wieder, die ihm fast bis zur Hüfte reichte.
    »Etwas Derartiges habe ich noch nie gesehen«, sagte Adam. »Selbst zuhause in Colorado habe ich nie davon gehört, dass jemals in so kurzer Zeit so viel Schnee gefallen wäre.«
    Der Strand war kaum noch zu erkennen, er war nur noch ein schmaler weißer Streifen vor dem dunklen Wasser

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