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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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des Sees, der selbst gar nicht mehr zu sehen war.
    »Der Sturm der Seelen«, flüsterte Phoenix.
    »Wie kannst du dir da so sicher sein?«, fragte Adam, aber die Antwort war nur allzu offensichtlich: Geisterhafte Augen schwebten in der Luft, mal verdeckt vom peitschenden Sturm, mal grellweiß hervorleuchtend, weißer noch als selbst der Schnee. Es waren Hunderte. Mit einem Heulen wechselte die Windrichtung erneut, und dann konnte er sie sehen … große, weiße Vögel mit einer Federkrone auf dem Kopf, die dort draußen im Schnee hockten. Mit einer gemeinsamen, vollkommen synchronen Bewegung hoben sie ihre golden schimmernden Schnäbel in den Himmel und stießen ein markerschütterndes Kreischen aus.
    Als der Wind abermals drehte, waren sie verschwunden.

XXIV
     
    IN DEN RUINEN VON DENVER, COLORADO
     
    Tod stand wieder auf dem Dach seines Turms und blickte hinaus auf die riesige Einöde zu seinen Füßen. Das Dornengestrüpp wucherte inzwischen so hoch, dass es den Fackelzug seiner Untertanen beinahe verdeckte. Schon bald würden die Fackeln erlöschen, aber das machte jetzt keinen Unterschied mehr. Seine Armee war mehr als groß genug, um mit den letzten Überlebenden der Menschheit kurzen Prozess zu machen. Ganz egal, wie gut sie vorbereitet sein mochten, allein die zahlenmäßige Übermacht des Schwarms würde sie hinwegfegen – das Verhältnis stand mehr als hundert zu eins zu ihren Gunsten. Die Nachzügler, die immer noch ins Lager geströmt kamen, schickte er einfach los, damit sie sich mit ihren Brüdern vereinigten. Sie würden die letzten Menschen auslöschen und sich dann auf ihresgleichen stürzen. Wenn die Perversion, die sich Mensch nannte, erst einmal ausgeblutet war, konnte die Evolution von neuem beginnen, auch wenn Tod wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis erneut eine Rasse die Oberhand gewinnen und sich daranmachen würde, sich selbst zu vernichten. Selbst wenn er fähig gewesen wäre, so etwas wie Mitleid zu empfinden, hätte er keinen Pfifferling für diese völlig überbewerteten Affen gegeben, die selbst das kostbarste Geschenk verschmähten, das Gott ihnen gegeben hatte: In seiner gesamten Daseinsgeschichte hatte der Mensch nicht begriffen, dass das Leben etwas Heiliges und Unantastbares war.
    Er würde das rücksichtslose Schlachten genießen.
    Tod schloss die Augen und schickte seinen Geist auf die Reise. Als er sie wieder öffnete, stand er am Rand eines großen, verschneiten Tals. Die Sonne begann hinter dem Horizont zu versinken, ein blasser Lichtpunkt, kaum zu erkennen durch den tobenden Sturm. Die steilen, kiefernbewachsenen Berghänge liefen in eine schneebedeckte Ebene aus, die sich vom Fuß der Sangre de Cristo Range in West-Colorado bis an die Grenze zu Utah erstreckte, wo eine weitere Bergkette aufragte wie Grabhügel. Noch vor Ende dieser Nacht würden seine Truppen sie erreichen, und schon in der darauffolgenden würden sie über ihre Opfer herfallen. Und am nächsten Morgen, in zwei Tagen von jetzt an, würde die Welt frei sein von den zerstörerischen Trieben der Menschheit und bereit für den Heilungsprozess. Doch gab es noch eine Hand voll Auserwählter, von Ihm bestimmt, sich ihm entgegenzustellen. Ein Dutzend und einer mehr, deren Verlust Ihn schmerzen würde, aber Tod war bereit, auch sie auszulöschen. Er war Gottes auserwählter Sohn, und er würde den Willen seines Vaters in die Tat umsetzen.
    Mit Kriegs Augen blickte er von Westen zurück nach Osten. Donner spürte Tods Bewusstsein in seinem Herrn und ließ sich auf die Vorderläufe sinken. Feuer blies aus seinen knöchernen Nüstern und brachte den Schnee um ihn herum zum Schmelzen, und Tod bedachte das Tier mit einem wohlwollenden Blick.
    Das Pferd erhob sich wieder und stampfte durch dichten Kiefernwald und Wacholderbüsche den Hang hinunter bis zu dem Pfad, auf dem die Fußspuren seiner Getreuen unter der dicken Schneedecke schon kaum mehr zu erkennen waren. Die Armee selbst war nirgends zu sehen, es war, als stünde Tod ganz allein dort, bis er wieder nach oben blickte …
    Die Bäume waren voll von ihren Leibern, dicht an die Stämme gedrängt versteckten sie sich an den dicken, schneebedeckten Ästen nach unten hängend oder darauf sitzend vor dem Sonnenlicht, ihre Klauen in die Rinde geschlagen, aus der bernsteinfarbenes Harz rann. Schwarze Schuppen und gehärtetes Metall schimmerten, hier und da blitzte kurz ein gelbes Auge auf, um ihm seinen Respekt zu erweisen, und schloss sich dann eilig

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