Sturm der Seelen: Roman
sehen, wie viel Macht Ihnen noch bleibt, wenn die anderen erst wissen, was für ein Prophet Sie in Wahrheit sind.«
»Das kann ich nicht zulassen, Susan.«
»Sie können mich nicht aufhalten! Ich hole jetzt meinen Sohn, und wir …!«
»Susan …«
»Lassen Sie mich vorbei, oder ich schreie, so laut ich kann, und dann können Sie ja versuchen, den anderen zu erklären, was hier vorgefallen ist!«
Gray beugte sich gerade so weit um die Ecke herum, dass er sehen konnte, wie Richard Susan den Zugang zu ihrem Zimmer versperrte. Garrett stand in der Mitte des Flurs, mit dem Rücken zu Gray, und Peckham lehnte an der Wand gegenüber von Susans Zimmer. Seine Finger spielten nervös am Abzug der Schrotflinte.
O mein Gott, dachte Gray, als er sah, wie Garrett und Peckham unruhig von einem Fuß auf den anderen traten und sich dabei immer wieder unsichere Blicke zuwarfen. Gib einfach nach, Lady. Gib nach.
Gray spähte den Flur hinunter durch die offene Tür, die zu Richards Suite führte, an deren Ende er eine gläserne Schiebetür erkennen konnte. Er hatte es noch gar nicht bemerkt, aber offensichtlich hatten die Zimmer auf der Rückseite des Hotels einen Balkon.
»Das wollen Sie doch nicht wirklich tun?«, fragte Richard und ergriff Susans Hand.
»Lassen Sie mich los!« Susan kreischte förmlich und entriss ihm ihren Arm. »Wenn Sie mich noch einmal anfassen …!«
Gray hörte einen Knall, dann wurde Susans Kopf ruckartig zur Seite gerissen. Richard hatte sich so schnell bewegt, dass in dem Moment, als Gray richtig hinsah, sich schon ein roter Striemen auf Susans Wange gebildet hatte.
Ungläubig starrte sie Richard durch die Tränen hindurch an, die über ihr Gesicht strömten.
»Sie fingen an hysterisch zu werden«, erklärte Richard zu seiner Rechtfertigung. »Warum gönnen Sie sich nicht ein paar Minuten, um sich wieder zu beruhigen und die Sache noch einmal zu überdenken …?«
Mit einem Schrei stürzte Susan sich auf ihn. Richard wurde gegen die Zimmertür geschleudert, und Susan grub ihm ihre Fingernägel ins Gesicht, dann schlug sie ihm den Kopf mehrmals hintereinander gegen die Tür; Hautfetzen hingen von seinen Wangen und Susans Fingernägeln herunter.
Garrett packte sie von hinten, drehte ihr die Arme auf den Rücken und zog sie mit aller Kraft gegen seine mächtige Brust, weg von Richard. Susan schrie und kreischte und trat mit ihren Füßen nach Robinson.
»Du durchgedrehtes Miststück!« Richard spuckte verächtlich aus und fuhr sich mit den Händen über die diagonal über sein Gesicht verlaufenden blutigen Striemen. Ungläubig hielt er seine blutverschmierten Hände in die Luft. »Sieh dir an, was du mir angetan hast! Sieh dir das an!«
Wie angewurzelt stand Gray da. Tief in seinem Inneren wusste er nur zu genau, wie sich dieser Streit entwickeln würde, aber er konnte seinen Körper einfach nicht dazu bringen, sich zu bewegen. Regungslos beobachtete er die Szene vor seinen Augen, als wäre es lediglich ein Film.
»Peckham«, bellte Richard, ohne Susan aus den Augen zu lassen.
Der Soldat starrte ihn nur ausdruckslos an.
»Peckham!«
Schließlich brachte der von Richard ernannte Sicherheitschef doch noch seine Schrotflinte in Anschlag und zielte damit direkt auf Susans Kopf, die Mündung nur wenige Zentimeter von ihrer Schläfe entfernt.
»Werden Sie jetzt endlich aufhören zu schreien?«, fragte Richard, der langsam seine Fassung zurückgewann, auch wenn der wilde Ausdruck in seinen Augen und das Blut in seinem Gesicht ihn wie einen Wahnsinnigen aussehen ließen. »Sie wollen doch nicht, dass unser kleiner Jake als Waisenkind aufwächst. Und sicherlich möchten Sie auch nicht, dass er hört, wie das Gehirn seiner Mutter über die Wände dieses schönen Hotels verteilt wird.«
Mein Gott, der Junge war noch immer in dem Zimmer!
Eine erdrückende Stille senkte sich über alle. Gray wagte nicht einmal mehr zu atmen.
»Bitte, ich tue alles, was Sie wollen«, flüsterte Susan schließlich.
Richard lächelte. Das Blut aus seinen Kratzwunden floss um seine Mundwinkel und tropfte von seinem Kinn auf den Boden. »Kluges Mädchen.«
Garrett blickte Richard fragend an, der nickte knapp. Langsam gab Garrett Susans Arme frei und trat einen Schritt zurück. Das Kinn auf die Brust gesunken stand Susan da, und ihre Schultern begannen zu zucken, als würde sie gleich hyperventilieren.
»Bitte … lassen Sie mich nur wieder zu ihm hineingehen.«
»Aber selbstverständlich«, erwiderte Richard und trat
Weitere Kostenlose Bücher