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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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bedeutet, doch im Einzelnen betrachtet war ihr Tod bedeutungslos.
    Jill hörte das mahlende Geräusch, mit dem Mare den Sand von seinen feuerroten Händen rieb, und öffnete die Augen. Wortlos setzte er sich neben sie und schaute mit ihr hinunter auf den Strand, wo die anderen sich langsam von dem kleinen Sandhügel entfernten, der bald schon unter einer dicken Schneeschicht begraben sein würde. Dieser kleine Hügel mit einem Kreuz aus zwei Holzstöcken, zusammengehalten von einem Stofffetzen, war der letzte und einzige Hinweis, dass diese Frau jemals existiert hatte.
    Am Fuß des Kreuzes leuchteten ein paar Blumen wie Blutstropfen aus dem strahlenden Weiß.
    »Bitte, halt mich fest«, flüsterte Jill, zog ihn zu sich unter ihre Decke und kuschelte sich an ihn. Diesmal versuchte Mare nicht, sie mit einem seiner sarkastischen Witze abzulenken, er gab ihr nur die Wärme seines Körpers, um sie aufzufangen und, wenn auch nur für den Moment, die Kälte zu vertreiben.
    Er hielt sie fest umschlungen, spürte ihren Atem auf seinem Hals und wünschte sich nichts mehr, als dass die Sonne die Wolken auseinanderreißen und sie ein wenig wärmen möge. Und er wünschte sich, dass er irgendetwas sagen könnte, um sie zu trösten, ihr so etwas wie Hoffnung geben. Doch hatte er die meiste Zeit seines Lebens damit verbracht, sich vor den physischen und psychischen Schmerzen zu schützen, die ihm sein Vater zufügte, dem es nicht möglich gewesen war, ihn zu lieben, und jetzt lagen seine Gefühle unter einem undurchdringlichen Schutzpanzer begraben. Mare hatte sich darauf trainiert, seine Gefühle hinter seinen bissigen Bemerkungen zu verbergen; er kannte keine Worte des Trosts. Aber vielleicht würde im Moment auch Schweigen genügen.
    »Er hat sie so sehr geliebt«, sagte Jill. »Sie hat ihm alles bedeutet.«
    Sanft drückte Mare sein Kinn gegen ihre Stirn, bis Jill ihren Kopf hob und sie sich in die Augen sahen.
    »Eine Liebe wie diese kann sogar den Tod überdauern«, flüsterte er. »Bald werden sie wieder zusammen sein.«
    Er hatte es gar nicht vorgehabt, aber noch bevor er wusste, was er tat, beugte Mare sich näher an Jill heran und küsste sie, schmeckte die salzigen Tränen auf ihren Lippen. Er spürte Jills Hände auf seinem Körper, ihre Lippen öffneten sich, ihre Zungen begegneten sich. Es war nicht das erste Mal, dass er Lust und Verlangen verspürte, aber noch nie hatte er eine so starke emotionale Verbindung zu jemandem gefühlt. Er wollte sie nicht nur ausziehen, sondern eins mit ihr werden, ihre Welt wieder in Ordnung bringen.
    Ihre Zunge berührte die seine, ganz sanft lud sie ihn ein, weiter vorzudringen. Mare streichelte ihre Wange, ließ seine Hand zärtlich hinuntergleiten bis zu ihrem Hals. Jills Halsmuskulatur spannte sich an, und er spürte, wie ihre Sehnen unter seiner Berührung hart wurden, ihr ganzer Körper sich versteifte. Mare hatte gerade noch genug Zeit, seine Zunge in Sicherheit zu bringen, da schnappten Jills Kiefer zu.
    Mare öffnete die Augen und starrte Jill an. Ihre Lider flatterten, und was darunter immer wieder kurz aufblitzte, war nicht das wunderschöne Blau, das er kannte, sondern nur das von roten Äderchen durchzogene Weiß ihrer Augäpfel.
    »Jill«, flüsterte Mare und schüttelte sie sanft.
    Seine Stimme wurde immer leiser, Jill sah nur noch ein blendend weißes Licht, das sie schließlich als den Blizzard erkannte, der über dem zugefrorenen Salzsee tobte. Wieder stand sie am Ufer, den Verteidigungswall in ihrem Rücken, und wieder nahm sie den Geruch von brennendem Fleisch wahr, aber eines war anders: Zwei Gestalten, schwarze Schatten vor dem dichten Schneetreiben, taumelten auf sie zu. Sie stützten sich gegenseitig, so gut es ging, aber einer der beiden konnte kaum laufen und hielt beide Hände auf sein Gesicht gepresst. Blut strömte zwischen seinen Fingern hervor.
    Hinter den beiden erhob sich eine Wand aus Dunkelheit. »Beeilt euch!«, rief Jill. Goldene Augen leuchteten wie eingesperrte Sonnen, und Jill schrie auf …
    Ihr Schrei lag noch in der Luft, als Jills Pupillen wieder in ihre Ursprungsposition zurückschnappten. Sie lag auf dem Sand, ihren Kopf in Mares Schoß gebettet starrte sie in sein angsterfülltes Gesicht.
    »Sag mir, dass alles in Ordnung ist mit dir«, flüsterte Mare.
    »Ja«, erwiderte Jill und wischte sich ihre Tränen von den Wangen. »Es geht schon wieder.«
    »Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt«, sagte Mare mit einem schwachen

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