Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
angreift. Es mag gotteslästerlich klingen, aber die Lebenden hatten in diesem Fall Vorrang vor den Toten.
Rasch ließ ich meinen Blick über das Schlachtfeld schweifen. Auf unserer Seite war alles ruhig. Die Mitte hatte die Nabatorer ebenfalls zurückdrängen können, sogar noch lange vor uns. Auf der linken Flanke dauerte der Kampf allerdings noch an. Gerade wurden einige Einheiten von der zentralen Linie abgezogen, um dem Feind in den Rücken zu fallen.
»Bogenschützen!«, schrie Oloth. »In die ersten Reihen!«
»Dreiauge«, sagte ich. »Kümmer dich um Nachschub. Die sollen gleich ein paar Wagen herschicken. Bildet Ketten. Wir brauchen viele Pfeile. Und die Jungs sollen sich beeilen.«
Aus den Tälern zwischen dem toten, dem schlafenden und dem schweigenden Berg rückten nun die ersten Reserveeinheiten der Feinde heran. Auf der linken Flanke musste sich die geschundene Vorhut des Gegners endlich zurückziehen, konnte es sich dabei aber nicht verkneifen, unsere Reihen zum Abschied noch einmal mit Pfeilen zu bedenken.
Meine Männer stellten sich jetzt hinter den Rittern in schwerer Rüstung auf, damit die Schildträger sie schützten. Es roch nach Blut und bitterem Schweiß. Hinter mir versuchte ein Hellebardier fluchend, den beschädigten Schaft seiner Waffe mit einer Axt von Splittern zu befreien.
»Ihr habt gute Arbeit geleistet, Grauer«, lobte mich Oloth. »Das war unsere Stunde.«
Ich antwortete ihm nicht, sondern betrachtete die Quadrate der Nabatorer Fußsoldaten, die sich tausend Yard von uns entfernt formiert hatten. Dass die Kerle es beim ersten Anlauf nicht geschafft hatten, besagte noch lange nicht, dass sie beim zweiten Versuch nicht mehr Glück haben würden.
Im Übrigen blieb mir Scharlach ein großes Rätsel. Bei der kolossalen Kraft, über die sie verfügte, könnte sie uns doch in einer halben Stunde zermalmen. Stattdessen opferte sie aber das Leben ihrer Männer, nur um ihren ach so wertvollen Funken nicht zu vergeuden. Ohne Gabe dazustehen, musste für jeden dieser
Götter
die schlimmste Tragödie sein.
Einer der Ye-arre kam im Sturzflug auf uns zugeschossen und rief: »Schröter! Die Schröter kommen!«
»Schröter?! Was ist das nun schon wieder für Mist?!«, wollte ich von Dreiauge wissen.
Er war jedoch genauso ratlos wie ich und zuckte bloß die Achseln.
»Das sind verfluchte Biester!«, erklärte der Schildträger vor mir. »Von Nekromanten geschaffen. Mit denen haben wir beim Linaer Moorpfad Bekanntschaft geschlossen. Bevor wir überhaupt wussten, worum es ging, waren schon etliche unserer Männer umgekommen. Die machen dich kalt, noch ehe du zum Schlag ausgeholt hast.«
»Grauer!«, sagte Oloth, der das Visier seines Helms bereits heruntergeschoben hatte. »Schnapp dir die zwanzig besten Bogenschützen! Erledigt diese Biester!«
Nachdem ich die entsprechenden Männer ausgewählt hatte, ließ uns die erste Reihe durch, damit wir uns diese Viecher vornehmen konnten.
»Hatte von euch schon jemand mit diesen Drecksdingern zu tun?«, fragte ich.
»Mhm«, antwortete ein Schrank von Mann. »Bei denen sind nur die Augen und die Schnauzen verwundbar. Die Schmerzen machen sie verrückt.«
»Aber sie bringen sie nicht um?«
»Nee. Das ist erst mal nur eine Ablenkung, damit die Schwertträger sie zerhacken können.«
»Habt ihr das gehört, Männer?«, ergriff Dreiauge das Wort. »Die Augen und das Maul.«
Außer uns waren noch etwa fünfzehn weitere Gruppen diesen Biestern entgegengeschickt worden. Sie alle trugen zwei Yard lange Bögen, Äxte oder Langschwerter.
Über das Schlachtfeld kamen bereits acht gekrümmte Kreaturen auf uns zu. Sie waren fünfmannhoch, breitschultrig und langbeinig, dabei aber die reinsten Skelette. An den Stellen, wo schon Haut aus ihrem Körper gerissen war, schimmerten purpurrote Flecken. Ihre Schädel erinnerten an Pferdeköpfe, waren jedoch mit einem Hirschgeweih bewehrt. In den Händen hielten sie riesige, dornenbesetzte Keulen.
Im Grunde bewegten sich die Schröter ohne Hast vorwärts – nur waren ihre Schritte so groß, dass ich meinte, sie preschten auf uns zu.
»Die sind ja widerlich«, murmelte Quäker. »Zeigt sich die Schreitende heute eigentlich noch mal oder will sie den ganzen Kampf verschlafen?«
Wir verfolgten das Näherkommen dieser Monster mit grimmiger Entschlossenheit. Auf uns hielten zwei zu, fünf nahmen sich die Mitte vor, nur einer steuerte die linke Flanke an.
»Ascheseelen«, sagte ich leise, als ich die in der Luft
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