Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
mir. »Also los, komm mit.«
Ihr Ton ließ mich auf jeden Widerspruch verzichten. Ich sagte nur Topf noch Bescheid, dass er den Befehl übernehmen sollte, und eilte der Verdammten nach.
»Was hast du vor?«, fragte ich in spöttischem Ton. »Bringst du mich zum Opferaltar?«
»Das wäre zu viel der Ehre für dich!«, parierte sie. »Nein, wir statten Mithipha einen Besuch ab. Zumindest habe ich die Absicht, das zu tun. Und ich denke, dir kommt das auch nicht ganz ungelegen.«
»Richtig«, erklärte ich, wenn auch deutlicher Zweifel in meiner Stimme mitschwang.
»Du hast den Pfeil doch nicht verloren?«, fragte Typhus.
»Nein.«
»Sehr schön. Vielleicht gelingt es uns ja, die Graue Maus ins Reich der Tiefe zu schicken.«
»Du siehst nicht so aus, als ob du noch sonderlich viel Kraft hast.«
»Wie auch?! Aber Mithipha dürfte es ähnlich ergangen sein. Ich habe sie genauso ausgepresst wie sie mich. Sie ist mir gegenüber also nicht im Vorteil.«
»Wenn sie ihr Hirn nicht völlig eingebüßt hat, ist sie längst über alle Berge.«
»Selbstverständlich ist sie das. Sobald die Feuerdämonen aufgetaucht sind, hat Mithipha beide Beine in die Hand genommen. Aber während des Kampfes ist es mir gelungen, ihr eine Markierung anzuheften. Fürs Erste dürfte sie die nicht bemerken. Wenn wir uns also beeilen, schnappen wir sie noch.«
»Was, wenn sie eine Falle für uns aufgestellt hat?«, fragte ich.
Obwohl mir Typhus’ Idee eigentlich nicht schmeckte, wollte ich jetzt, da wir die Aussicht hatten, Scharlach zu erwischen, keinen Rückzieher machen.
Die Ritter aus der Leibgarde des
Glimmenden Pork
warteten mit Pferden auf uns. Wir saßen rasch auf und ritten den Hang hinunter ins Tal.
Dort wandte sich Typhus an den Hauptmann der Ritter.
»Habt Dank für alles, was Ihr getan habt«, sagte sie zu dem Mann. »Nun aber benötige ich Eure Dienste nicht länger.«
»Aber, Herr«, empörte sich der Ritter. »Ich habe den Befehl, Euch zu beschützen.«
»Diese Aufgabe habt Ihr meisterlich bewältigt, Hauptmann. Aber die Schlacht ist vorüber. Wenn Ihr mir jedoch eine kleine Gefälligkeit erweisen wollt, dann sucht Herrn Shen und bleibt bei ihm. Und nun lebt wohl.«
Nach diesen Worten trieb sie ihrem Pferd die Sporen in die Flanken. Ich folgte ihrem Beispiel, die Ritter blieben unzufrieden zurück.
Die untergehende Sonne schwamm in einem wahren Feuer und berührte schon fast die finsteren Hügel im Westen. Hinter uns gaben der Grokh-ner-Tokh und der schlafende Berg noch immer keine Ruhe. Ich schaute mehrmals auf die rot glühenden Vulkane zurück, auf die feurige Lavaspur an den Hängen und den grau-blau-schwarzen Himmel. Der Anblick jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Genießen konnten ihn wahrscheinlich nur irgendwelche Hohlköpfe – oder die Nirithen. Bei allen anderen erweckte er bloß den Wunsch, diesen Ort möglichst weit hinter sich zu lassen. Sich in diesem Moment in Bragun-San aufzuhalten, war ungefähr so liebreizend wie der Aufenthalt in einem Kochtopf, der gerade auf den Herd gestellt wird.
Typhus teilte mir mit, dass die Armee den Befehl erhalten habe, nach Norden vorzurücken, in eine Gegend, wo nicht die Gefahr bestand, von einer aus der Erde schießenden Säule heißen Wassers überbrüht zu werden oder Lavabrocken auf den Kopf zu bekommen. Den Soldaten, die seit dem frühen Morgen gekämpft hatten, stand nun ein schwerer und langer Nachtmarsch in ein anderes Tal Bragun-Sans bevor.
Ich durfte sie dann nachher noch einholen. Falls es für mich ein Nachher gab, versteht sich.
Eine geschlagene Stunde quälten Typhus und ich uns vorwärts, indem wir riesige rauchende Krater und zahllose Leichen umrundeten. Um uns herum gab es so viele Tote, dass die Pferde nur weiterliefen, weil Typhus sie mit einem Zauber dazu brachte. Es roch widerlich nach verbranntem Fleisch und nach Blut. Eine Weile atmete ich nur durch den Mund, aber das machte das Ganze nur noch ekelhafter. Obwohl ich im Sandoner Wald wohl alles erlebt hatte, was ein Mensch damals in diesem Krieg hatte erleben können, obwohl ich etliche Kämpfe überstanden und auch sonst im Leben einiges gesehen hatte, das nicht gerade angenehm war, übertraf das hier alles. Am liebsten hätte ich gekotzt.
Wohin man auch blickte, türmten sich zerhackte, verrenkte, in Blutlachen erstarrte, verbrannte und verkohlte Leichen zu hohen Bergen auf. Die Knochen von dreißigtausend Nabatorern waren für immer in Bragun-San geblieben.
»Du siehst aus, als
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